FRIEDRICH DÜRRENMATT – NUR DAS NICHTIGE HAT BESTAND – Nihilistische Züge im Werk des Weltdiagnostikers

Friedrich Dürrenmatt
„Nur das Nichtige hat Bestand“
Nihilistische Züge im Werk des Weltdiagnostikers

NB: Direkte Zitate, die vor der letzten Rechtschreibreform entstanden sind, werden in dieser Arbeit unkorrigiert wiedergegeben.
„Nur das Nichtige hat Bestand“ – Friedrich Dürrenmatt: Nur das Nichtige hat Bestand. Das Dürrenmatt Lesebuch, Zürich 1991, Diogenes Verlag.

Für die mit Fußnoten versehene Version: http://WWW.MASSIMOTRENTO.IT/MASSIMO_TRENTO_NUR_DAS_NICHTIGE_HAT_BESTAND.htm

2 Prolog

Im Berner Obstbergquartier geschah es damals, als sich ein junger und noch unbekannter Friedrich Dürrenmatt die Freiheit nahm, seine Dachstube ästhetisch nach seinem Geschmack umzugestalten. Wie ein besessener Renaissancekünstler malte er die Wände seines Zimmers mit Bildern von wilden Kreuzigungen, skurrilen Gestalten und großen Abenteuern der Menschheit völlig aus, bis nach seinem Auszug die nachfolgenden Hausbesitzer alles übertünchten. Zwar schlummerten die Abbildungen jahrzehntelang unter der Farbkruste, doch wurde das Gesamtkunstwerk 1993 zufällig entdeckt, zum Vorschein gebracht und zur öffentlichen Besichtigung freigegeben.
Wenn man sich nun mit dem literarischen Nachlass des Schriftstellers intensiv beschäftigt, gewinnt man zuweilen den Eindruck in ein ebensolches Fresko voll bizarrer und tragischer Gestalten hineinzuschauen, woraus der grinsende Autor mit einem bunten Scherbenhaufen humaner Existenz erbarmungslos um sich schleudert. Faszinierende Fragmente ungemütlicher Themen sind es, die Dürrenmatt in seinem gewaltigen Lebenswerk aufwirft und die den Stoff für zahlreiche Recherchen der schweizerischen Nachkriegsliteratur liefern. Macht, Gerechtigkeit, Rebellion und Rache werden von den Forschern aus seinen Dramen und Erzählungen methodisch herausfiltriert, um sie in ausführlichen Referaten oder weniger anspruchsvollen Kompendien wissenschaftlich darzulegen. In ihrer Absicht sollen die Motive, einzeln seziert oder in Verbindung mit anderen, Zusammenhänge erstellen, um vom Detail aus auf die übergeordneten Botschaftsstrukturen des Künstlers hinzuweisen. So weit, so gut.
Auffallend ist jedoch, dass bis zum gegenwärtigen Stand der Forschung nur Unerhebliches über Dürrenmatts Nihilismus geschrieben wurde. Zugegeben, ihn als Stützpfeiler seiner Weltanschauung zu bezeichnen wäre nicht korrekt, zumal es sich im Falle des Dramatikers eher um eine Schattierung als um einen thematischen Farbton handelt. Dennoch ist der Beitrag dieser speziellen Nuance unentbehrlich, weil ansonsten ein Großteil der perspektivischen Wahrnehmung seiner Werke verloren gehen würde. Dabei erkannte der Schweizer die Gewichtigkeit dieses Begriffes eo ipso, hängte er doch eine selbstsprechende Karte an die Türe seines Giebelzimmers in Zürich, während anderswo der zweite Weltkrieg wütete: Friedrich Dürrenmatt, „nihilistischer Dichter.“
Ebendieses Bekenntnis soll nun als Anhaltspunkt für die vorhandene Abhandlung dienen, deren Ziel es ist, Dürrenmatts Nihilismus in seiner artistischen Laufbahn etappenweise zu beleuchten. Obschon die Zielstrebigkeit einer solchen These ein unmittelbareres Angehen bevorzugen würde, wollen wir diese Arbeit trotzdem mit einer biographischen und anthologischen Vorstufe entwickeln, die aus Gründen der Erkenntnisförderung gerechtfertigt ist. Die wertvollen Einschätzungen der interviewten Augenzeugen, erschließen nämlich nicht bloß heimlichere Aspekte des Autors, sondern ergänzen mitunter die im vierten Kapitel zusammengefassten Werke, die bei genauerem Hinschauen bereits unübersehbare Merkmale eines sich etablierenden Nihilismus aufweisen. Eine Offenbarung, die das Portal zu den auserlesenen Erzählungen und Dramen des sechsten Kapitels darstellt, deren rücksichtslose Gesellschaftskritik das groteske Weltbild des Artisten weit mehr als nur bis zum Rande der Zivilisation ausdehnt. Mein Vorschlag ist es, sich jenseits ihrer Grenzen vorzuwagen, wo auch die letzten, traditionell anerkannten Deutungen seines Schaffens verhallen. Ein Niemandsland, in das sich vorerst nur wenige gewagt haben und wenn überhaupt, dünkt es mich, mehr als Konsequenz einer zufälligen Verirrung als einer zielsicheren Erkundung.
Geht man aber diesen kühnen Schritt bewusst, erlangt man ein höheres Verständnisniveau des grellen Weltgemäldes Dürrenmatts, deren abgebildeten Gestalten verschiedenartiger Menschheit durch die nihilistische Abtönung an Kontrast und Tiefe gewinnen. Eine Bildschärfe, die das gnadenlose Schicksal der Hauptdarsteller seiner Werke mit der sich im Hintergrund manifestierenden Apokalypse verankert. Im Grunde ein Jüngstes Gericht ohne göttliche Beteiligung, worin der Forscher die Jämmerlichkeit menschlicher Systeme und Strukturen als Spiegelbild der gescheiterten Zivilisation erkennt. Gescheitert, weil sie in ihrer Unzulänglichkeit von Anfang an auf das Vorrecht der Unvergänglichkeit verzichten muss und trotzdem halsstarrig auf ihre Verewigung besteht. Eine Sisyphusarbeit, vor deren Unsinn Dürrenmatt unaufhaltsam ermahnt, in der Überzeugung, dass bloß der Vereinzelte Hoffnung auf die bestmögliche Gestaltung seines Daseins hegen darf. Inwiefern diese sinnvolle Vergänglichkeit dem nutzlosen Verewigungsversuch überlegen ist und auf welche Weise man die individuelle Zuversicht umsetzen soll, sind die letzten Fragestellungen mit denen wir uns beschäftigen wollen. Dürrenmatts Antworten darauf werden gleichsam die Abrundung und das Ende dieser These darstellen, im Vertrauen den Kreis des nihilistischen Dichters frühster Zeiten erfolgreich geschlossen zu haben.

3 Biographischer Überblick

Das Tor zum Emmental. So bezeichnet man oft Konolfingen , wo Friedrich oder Fritz, wie er üblicherweise genannt wurde, am 5. Januar 1921, als Sohn des protestantischen Pfarrers Reinhold Dürrenmatt und seiner Frau Hulda Zimmermann auf die Welt kam.
Alle wohnten sie im Pfarrhaus neben der Dorfmetzgerei, aus deren Höfen die noch im Verbluten zuckenden Kälber, das fein justierte Gemüt des zuschauenden Knaben unheimlich prägten. Ebenso ungeheuer kam ihm die labyrinthische Siedlung vor, mit den winkligen Schneisen der Kornfelder, den schmalen Gängen zwischen den aufgeschichteten Heuhaufen der Scheunen und den unzähligen Schleichwegen, die Fritz auswählte, um den streitsüchtigen Burschen der umliegenden Bauernhöfe zu entkommen. Ein eher gewaltloses Opfer könnte man meinen, das dennoch eine kriegerische Gesinnung aufwies: „Oft rannte ich als Sechsjähriger im Garten herum, mit einer langen Bohnenstange bewaffnet, einen Pfannendeckel als Schild, um endlich meiner Mutter erschöpft zu melden, die Österreicher seien aus dem Garten gejagt.“ Und so übertrug Fritz seine Feldzüge mit Stiften aufs Papier und füllte das Blatt mit immer blutrünstigeren Schlachten aller Art. „Der wird Oberst“, meinte der Kunstmaler Kuno Amiet, als ihm Friedrichs Mutter die Zeichnungen ihres Sprösslings zur Beurteilung hinlegte. Er täuschte sich gewaltig. „Ich brachte es in der schweizerischen Armee nur zum Hilfsdienst-Soldaten und im Leben nur zum Schriftsteller.“
Als die Dürrenmatts 1934 in die Bundeshauptstadt umzogen, erklärte sich Vater Reinhold bereit seinem Sohn ein Kunststudium zu erlauben, mit der Voraussetzung zuerst die Matura zu bestehen. Hulda ging sogar tatkräftiger zur Sache, indem sie dem Direktor der Kunsthalle, Max Huggler, die Bilder ihres Sohnes zeigte. Das Ergebnis war niederschmetternd. Ganz Bern malte impressionistisch und Platz für Außenseiter in der bildenden Kunst war keiner vorhanden. Aber der sechzehnjährige Friedrich wollte es genauer wissen und radelte 1937 nach München, um sich die berühmtberüchtigte Ausstellung der Entarteten Kunst genauer anzusehen. Es konnte ihm egal sein, ob die Werke in den sogenannten Schreckräumen der Gipsabgußsammlung des Archäologischen Instituts ausgestellt wurden. Grosz, Kokoschka, Nolde, Kirchner, Klee und Kandinsky malten wie er, expressionistisch oder ähnliches, nur halt etwas besser. Und das genügte ihm. Mit verstärktem Selbstvertrauen kehrte er in seine Heimatstadt zurück, wo er sich in den darauffolgenden Jahren seiner Schulpflicht widmete und im Spätsommer 1941 die ersehnte Maturitätsprüfung „Alte Sprachen“ ablegte.
In der Bärenstadt begann er sein Studium in Kunstgeschichte, Germanistik und Philosophie, um es in den kommenden Semestern an der Zürcher Universität stockend fortzusetzen. Eine durchwachsene Studentenkarriere an den verlockenden Ufern der Limmat, die Dürrenmatts Eltern stets mit Kopfschütteln im Auge behielten. Doch was Fritz an väterlichem Verständnis versäumte, gewann er im Umgang mit Walter Jonas, einem aus Deutschland übersiedelten Expressionisten. Bis in den Morgen hinein unterhielt man sich in der nächtlichen Geborgenheit seines Zürcher Ateliers über bildende Kunst, Philosophie und Literatur. Dieser war es, der den jungen Dürrenmatt mit dessen eigenen Talent betraut machte, indem er letzteren Gedichte komponieren und hinter seinen Radierungen aufkritzeln ließ. Eine Einweihung in die verführerische Welt der Künste, wofür sich Fritz seiner Hebamme Jonas gegenüber sein Leben lang verpflichtet fühlen sollte. Wann die akademische Laufbahn ihren Kampf um seinen Geist verlor und wie er sich für seine gleichzeitige Neugeburt als Schriftsteller entschied, datiert Friedrich Dürrenmatt mit höchster Präzision: “Das war am 5. Januar 1945. […] Nun hatte ich zufällig gerade Geburtstag und hatte mein erstes Fondue gegessen und dazu Weißwein und Schnaps gesoffen, das kam mir, als ich schlief, plötzlich hoch wie eine Fontäne“ und weiter „zwar war mir übel wie noch nie, doch die Lächerlichkeit meiner Kotzerei angesichts des ungeheuren Sich-Übergebens, das die Menschheit außerhalb dieses Landes befallen hatte […] stellte mich endlich vor eine Aufgabe: Die Welt, die ich nicht zu erleben vermochte, wenigstens zu erdenken.“
1946 brach er sein Studium ab, heiratete Schauspielerin Lotti Geissler und unterhielt von da an den Haushalt seiner anwachsenden Familie mit seiner Schriftstellerei. Die Uraufführung von ‚Es steht geschrieben’ erntete 1947 zwar ein Pfeifkonzert wie kein zweites, doch so schnell kleinzukriegen war der junge Dramaturg wegen dieser herben Erstniederlage nicht. „Weil wir, die gewöhnlichen Leute, wir wollen doch alle so beliebt sein. Aber ihm ist es irgendwie egal gewesen. Er ist dann sehr verletzt worden, weil er so angegriffen worden ist. […] aber er […] hat trotzdem das geschrieben, was er gedacht hat.“ So spricht in ihren Erinnerungen seine Tochter Ruth über den eindeutig widerstandsfähigen Charakter ihres Vaters. Doch nach der Blamage der Premiere bekam Dürrenmatt unerwartete Rückendeckung vom schon bekannten Autor Max Frisch, dem das Stück entgegen jeglicher Massenkritik gefallen hatte. Es war der beginn einer vierzig jährigen Freundschaft, manchmal zärtlich, manchmal bitter verbissen, zum Teil so gegensätzlich schmerzhaft wie nur Beziehungen zweier Artisten ihres Schlages sein können. „Am meisten habe ich Freude gehabt, wenn der Frisch gekommen ist und die eben miteinander Ping Pong gespielt haben oder Federball […] und jeder wollte den anderen schlagen, nicht. Und wenn der andere gewonnen hat, dann war der andere eifersüchtig und deprimiert […] Es ist einfach schön gewesen, denen zuzuschauen, denn das sind wie große Kinder gewesen.“ Ruths Schilderung ihrer kindlichen Starrköpfigkeit darf aber nicht über die unterschiedliche Kunstanschauung dieser zwei Dioskuren der schweizerischen Nachkriegsliteratur hinwegtäuschen; Max der Impressionist, Fritz der Expressionist. Schrieb doch der Berner seinem Freund diesen Gedanken: „Als einer, der so entschlossen wie Du seinen Fall zur Welt macht, bist Du mir, der ebenso hartnäckig die Welt zu seinem Fall macht, stets als Korrektur meines Schreibens vorgekommen.“
Was die Karriere betrifft, gelang Dürrenmatt mit ‚Der Besuch der alten Dame’ zuerst der große Durchbruch vom Provinzler in die Weltberühmtheit und mit ‚Die Physiker’ die Bestätigung seines Rufes als feinster Dramatiker. Seine Kriminalromane ‚Der Richter und sein Henker’, dessen Fortsetzung ‚Der Verdacht’ und ‚Das Versprechen’ gehören seit der Veröffentlichung im ganzen deutschsprachigen Raum zur Pflichtlektüre. Seine Hörspiele ‚Die Panne’ und ‚Abendstunde im Spätherbst’ wurden preisgekrönt. Er selbst hat es aber unterlassen seine misslungenen Werke zu verheimlichen. Um so weniger tat es die Kritik, die ‚Der Mitmacher’, ‚Frank der fünfte’ oder gar sein letztes Drama ‚Achterloo’ erbarmungslos in Stücke rissen. Auch deswegen konzentrierte er sich nach 1970 besonders auf die autobiographische Sammlung ‚Stoffe’, die er im andauernden Feinschliff bis spät in sein Lebensabend überarbeitete und in zwei Bände bereitstellte. Mehr Zeit für ein drittes Band wurde ihm nicht gewährt. In Neuchatel gab das schon angeschlagene Herz des nihilistischen Dichters am 14. Dezember 1990 den Kampf um sein Leben auf.

4 Dürrenmatts Botschaft: analytische Schwerpunkte

Die annähernd fünfzig Jahre Arbeit, die Friedrich Dürrenmatt in seine Schriftstellerei gesteckt hat, verdeutlichen sowohl das gewaltige Ausmaß seines Lebenswerks wie auch die Vielfalt der Themen, die ihn pausenlos beschäftigt haben. „Er war in seinem umfassenden Interesse für beide Kulturen, die literarische wie die naturwissenschaftliche, wie sein Interesse für theologische Fragen, sein Interesse für biologische Fragen, sein Interesse für Astronomie und Kosmologie. Er war so etwas, wie soll ich sagen, wie die Parodie eines Renaissancemenschen“, erklärt Peter Rüedi, sein aktuell wohl bekanntester Biograph. Ähnlich aufschlussreich äußert sich Dürrenmatts langjähriger Anwalt Peter Nobel über dessen unersättliche Neugier: „Ja, ich glaube, dass da eine wesentliche Komponente ist, dass er auch keine letzte inhaltliche Instanz anerkannt hat, aber dass es, ich denke, immer stark um die Frage gekreist ist: Woher kommt das? Wie ist das entstanden? Er hat sich auch sehr um naturwissenschaftliche Prozesse gekümmert und so.“ Aus diesem schier maßlosen Wissensbereich, der vom atomaren Kern bis zum Andromeda Nebel und theologisch sogar bis zu Gott oder dessen Stellvertreter reicht, hat die Literaturforschung folgende Hauptthemen ausgesondert, die ich als propädeutische Vorlage für die kommenden Kapitel zusammenfassen darf.

4.1 Recht und Gerechtigkeit.
„Ich glaube, dass er nicht so an eine Gerechtigkeit geglaubt hat, an eine letzt stimmige. Er hat das alles ziemlich, also das ist meine Auffassung, relativ angeschaut, Menschengemacht.“ Eine richtungweisende Aussage, die Peter Nobel kurz darauf mit einem prägnanten Zitat verdeutlicht: „Es gibt keinen fürchterlicheren Glauben als den, im Recht zu sein.“ Ein in Granit gemeißeltes Gebot, dessen Missachtung im Roman ‚Das Versprechen’ Dem von der Polizei kurzerhand gefassten Hausierer von Gunten das Leben kostet. Dass keinerlei Beweise für dessen Beteiligung am Mord der kleinen Gritli Moser vorliegen und dass sich die Verhaftung bloß auf Indizien stützt, kann den Ablauf der in Gang gesetzten Rechtsmaschinerie nicht mehr verzögern. Folgenreich ist die vom Kommandanten der Zürcher Stadtpolizei geäußerte Erklärung: „Zwar sei alles möglich, auch das Unwahrscheinlichste, doch müssten wir von dem ausgehen, was wahrscheinlich sei. Wir könnten nicht sagen, von Gunten sei sicher schuldig, das könnten wir eigentlich nie; aber wir könnten sagen, er sei wahrscheinlich schuldig. […] Nur an seiner Schuld zu zweifeln, sei reiner Dilettantismus.“ Die hingegen wahrheitsgemäße aber nicht beweisbare Hypothese des Beamten Matthäi, der den echten Mörder sein Leben lang umsonst gejagt hatte, vernichtet dessen geistige Gesundheit, und obschon durch eine groteske Nemesis der eigentliche Kriminelle doch noch gerichtet wird, geschieht es aus reinem Zufall, fast zum Spott über das Individualversagen des gebrochenen Oberstleutnants. Das Rechtssystem scheitert also vor der archetypischen Wahrheit, die menschlich nur der Disputation zuliebe abstrahiert werden kann und somit als Alibi gilt, um das Zurückgreifen aufs Mögliche in der Jurisprudenz voll und ganz zu rechtfertigen. Strenggenommen, scheint der primäre Endzweck der Justiz die Erhaltung einer mehrheitlichen Ordnung zu sein, während die Verfolgung der Gerechtigkeit als solche bloß eine untergeordnete Relevanz haben darf.
Im Hörspiel ‚Die Panne’ bewirkt Dürrenmatt mittels subluminalen Prozesses sogar eine begriffliche Auflösung von Freispruch und Verurteilung, wodurch die Wirklichkeitsempfindung des Protagonisten bis zur Selbstvernichtung gestört wird. Das eigensüchtige aber formell unbescholtene Benehmen des Textilreisenden Alfredo Traps versinkt, wie jenes unzähliger Unschuldslämmer seiner Zunft, in einer Anonymität, in der er „alles Schändliche, was er tut, für akzeptabel hält, weil übergeordnet eine allumfassende Struktur der Ungerechtigkeit steht.“ Dieser höchst unmoralische Lebenswandel würde strafrechtlich natürlich von keinem wirklichen Gerichtshof geahndet werden. Doch Alfredos Bereitwilligkeit, auf Einladung vierer Juristen, bei einem jovialen Dinner den Angeklagten eines Scheinprozesses zu spielen, versetzt für ihn die Lage ins Tragische. Sich hemmungslos in seine Rolle hineinsteigernd, ist er nicht mehr imstande die Realität von der Fiktion zu unterscheiden und liefert sich am Ende dem Kreuzverhör der Rechtskundigen wehrlos aus. Unterschwellig reizen diese Alfredos Gerechtigkeitssinn, um ihn seinem eigenen Urteil auszuliefern. „In der Welt, die er mit seinem Studebaker durchsause, wäre ihrem lieben Alfredo nichts geschehen, hätte ihm nichts geschehen können, doch nun habe er die Freundlichkeit gehabt, zu ihnen zu kommen […] zu vier alten Männern, die in seine Welt hineingeleuchtet hätten mit dem reinen Strahl der Gerechtigkeit […] in deren Namen er nun ihren besten, teuersten Alfredo zum Tode verurteile.“ Mit dem Akt der Strafverhängung endet für die jauchzenden Vieren das genüssliche Gesellschaftsspiel. Wie in einer mentalen Schlaufe gefangen, kann dagegen Alfredo nicht mehr runterfahren, hält sich tatsächlich eines nie begangenen Mordes für schuldig und erhängt sich in seinem Schlafzimmer. Die psychologische Manipulation ist für Ruth Dürrenmatt der Schlüssel zur Interpretation dieses Hörspiels: „Gut, er ist ja nicht ein Heiliger gewesen, der Versicherungsmann , er hat ja auch Dreck am Stecken gehabt, sonst hätte er sich ja nicht in den Tod getrieben, nicht. Aber du siehst trotzdem, wie du Menschen bearbeiten kannst und beeinflussen, dass sie sogar denken, dass sie jetzt den Tod verdient haben.“ Mit ironischem Abstand fasst Nobel den Kern der Erzählung zusammen und weist lakonisch auf die Groteske des Hörspiels hin: „die Idee ist, dass es wahrscheinlich Missetaten gibt, die eigentlich nicht justiziabel sind, aber der, der sie begangen hat, der durchschaut das und erhängt sich, und die anderen sagen: ‚Er hat uns den schönsten Herrenabend kaputt gemacht’, oder?“

4.2 Rebellion und Rache.
“Das Gefühl der Rebellion, das ich als mein zweites Grundmotiv ansehen möchte, ist viel mehr durch die Schule entstanden. Die Schule war für mich etwas Entsetzliches, dieses Gehorchen-Müssen, das habe ich als fortwährende Bedrückung empfunden. Daraus ist dann auch das Motiv der Rache entstanden.“ Rache, die dem Schriftsteller als erzählerische Grundlage vortrefflich zu dienen vermochte, als er mit dem 1956 aufgeführten Dreiakter ‚Der Besuch der alten Dame’ seinen ersten Welterfolg feiern durfte.
Die Verbindung mit dem vorherigen Motiv der Gerechtigkeit ist freilich auch in diesem Bühnenstück unübersehbar, wenngleich hier eine gesellschaftlich anerkannte Gesetzesordnung mit einem eigenmächtigen Kodex ersetzt wird. Claire Zachanassian tut dies, indem sie ein milliardenschweres Kopfgeld auf Alfred Ill aussetzt, der sie fünfundvierzig Jahre zuvor geschwängert hatte, um daraufhin mit bestochenen Zeugen seine Vaterschaft abzustreiten. Wohl könnte man das damalige Urteil rein formell gutheißen, da das Gericht anhand vorliegender Fakten nicht anders hätte vorgehen können, als Ill freizusprechen; doch machte es somit dem fürchterlichen Unrecht auf materieller Ebene den Weg frei. Claire geriet in Verrufung, hatte sie doch Ill angeblich eine falsche Vaterschaftsklage an den Hals gehängt. Verbannt und notgedrungen, wurde sie zum Strichmädchen, bis ein schwerreicher armenischer Großunternehmer sie heiratete und ihr seinen immensen Reichtum hinterließ. Nun konnte sie sich revanchieren und ihre Gerechtigkeit erkaufen. „Die Menschlichkeit, meine Herren, ist für die Börse der Millionäre geschaffen, mit meiner Finanzkraft leistet man sich eine Weltordnung. Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell.“ Ein felsenfeste Rechtsspruch der alten Dame, die durch ihren Endsieg über die Prinzipien der menschlichen Rechtsordnung ihrer Tat ohne Gewissensbissen gegenübersteht. Ills Mitbürger aber, die einst die ausgehängte Kopfprämie als sittenwidrige Unerhörtheit abgeschlagen hatten, wollen nun die skurrile Stiftung in einer gemeinsamen Euphorie annehmen. Vollstrecker des Todesurteils, verspielen sie von diesem Moment an jede moralische Glaubwürdigkeit durch ihre Heuchelei, denn „Habgier verbirgt sich unter dem schönen Gewand der Gerechtigkeit“ und wird sie alle, über kurz oder lang, in ihrem verdorbenen Dorf einholen. „Noch weiß ich, daß auch zu uns einmal eine alte Dame kommen wird, eines Tages, und daß dann mit uns geschehen wird, was nun mit Ihnen geschieht“, sind die an Alfred Ill gerichteten Worte des Dorflehrers, die sich wie eine letzte Ölung anhören.

4.3 Politik und Macht.
Trotz Prunk und Würde auf die sich jede Form institutioneller Regierungsbemächtigung stützt, gleitet jede Form von Verwaltung, und sei sie noch so von der Heilsamkeit der eigenen Mission beflügelt, früher oder später ins Bedauerliche wenn nicht sogar grotesk Jämmerliche ab. Hauptgrund dafür sind in Dürrenmatts Augen der selbstbefriedigende Machtkampf und die Ideologie, die wie in einem egozentrischen Menuett sich selbst befruchten, während das ihnen ausgelieferte Volk auf der Strecke bleibt. Peter Nobel holt in seinen Erinnerungen über Dürrenmatts Gedanken diesbezüglich nicht weit aus: „ich glaube alle Ideologie ist ihm zuwider gewesen. Ich glaube, das kann man schon sagen. Alle, die irgendwie das Gefühl gehabt haben, es ginge von unverrückbaren Tatsachen aus, und es sei so für jetzt und für Immer und so. Das war ihm Höchst verdächtig.“ Obwohl er sich, im Gegensatz zu Max Frisch, kaum um aktive Politik Kümmerte, fällt Dürrenmatts Einschätzung der Politiker gar ernüchternd aus: „also von den Politikern hat er gar nichts gehalten. … von der offiziellen Politik am politischen System, von dem hat er nichts gehalten. Die hat er als eine Bande von unnützen Rechthabern empfunden.“ Nicht anders sieht es Ruth Dürrenmatt, die die allergische Reaktion ihres Vaters auf politische Kurzsichtigkeit mit folgenden Worten wiedergibt: „In der Welt tut sich ja immer alles schnell ändern, und die Politiker suchen immer Notlösungen. Sie sind ständig mit momentanen Lösungen beschäftigt, oder, aber nicht Langzeitlösungen, verstehst du? […] Er hat nichts gehalten von dem, schon wegen dieses Machtkampfes, weil es um zuviel Macht gegangen ist und nicht um das Thema.“
Spuren dieses Stoffes sind in Dürrenmatts Produktion vielerorts ausfindig zu machen, wobei er sich gerne Rohmaterial aus der altgriechischen Mythologie ausborgt, wie die beispielhafte Veranschaulichung ‚Herkules und der Stall des Augias’ bestätigt. Gerufen um Elis vom allgegenwärtigen Mist zu befreien, unterbreitet Herkules König Augias seinen Plan, Dreck und Jauche durch die umgeleiteten Flüsse Alpheios und Peneios aus der Stadt zu spülen. Aber die politische Sturköpfigkeit, die sich aus parteiischen und nicht aus tugendhaften Gründen mehr und mehr selbstbefriedigend zuspitzt, verhindert ein schnelles Handeln, wozu sich doch die Städtische Regierung von Anfang an entschieden hatte: „Wir müssen […] radikal ausmisten. Radikal.“ So vertagt man wiederholt jeden Entschluss, um der Gegenpartei keinen taktischen Vorsprung zu gewähren und belastet Herkules mit einer Unmenge absurder Genehmigungsersuche, bis der Held schließlich das Handtuch wirft. Folgen tun die Verwalter dem klassischen Selbsterhaltungsprinzip, dessen fragile Essenz von einer schützenden Struktur umgeben wird, die die profitierenden Parlamentsmitglieder fortwährend mit Regeln verstärken und in ein bürokratisches Bollwerk ausbauen, bis sie sich selbst darin einsperren. Die Auswirkungen sind erdenklich tragisch: Elis versinkt unter einer für die Bevölkerung lebensbedrohlichen Mistschicht, während weit oben in der letzten Etage der Macht in einem schizophrenen Wahn, ohne Gewähr noch Übersicht, Kommissionen einberufen werden, um das pseudodemokratische Hasardspiel weiterzuführen.

4.4 Das Unübersichtliche.
„Dürrenmatts Schriftprinzip ohne letzte Form impliziert die Unabschliessbarkeit des Textprozesses, damit einen Prozess des Schreibens, innerhalb dessen die einzelnen, publizierten wie unpublizierten Fassungen lediglich Zwischenstationen sein können.“ So bestimmt in der Einleitung die Recherche des Schweizerischen Literaturarchivs den Ausgangspunkt für die Analyse des Nachlasses, den Dürrenmatt seit 1970 bis zu seinem Ableben kontinuierlichen Revisionen unterzogen hat. Ein andauerndes Vor- und Rückspringen in seinem literarischen Bauwerk also, das einem Labyrinth ähnelt, in dem Dürrenmatt bewusst mit aufgestapelten Entwürfen oder verschobenen Bruchteilen neue Irrgänge zu schaffen beschäftigt ist. Ein Leitmotiv, das in Dürrenmatts Werk in den unterschiedlichsten Facetten auftaucht, um in der Ballade ‚Der Minotaurus’ seinen vollendeten Höhepunkt zu erreichen.
Dabei strebt der Schriftsteller eine Neubearbeitung des Stiermenschen zu Knossos an, die der Perspektive des Originals zwar formell und inhaltlich im wesentlichen entspricht, doch das ganze Geschehen vom Blickpunkt des Monsters aus schildert. Die Heldentat und deren Protagonisten Theseus stehen im griechischen Original vorn auf der Bühne der Tragödie, die bösartige Fehlgeburt dagegen im Hintergrund. Dürrenmatt kurbelt jedoch seine ganz persönlich inszenierte Drehbühne um hundertachtzig Grad herum und schlüpft ins Kostüm des Minotaurus, um mit dem Untier ein und dasselbe Individuum zu werden. Daraus resultiert ein Verständnis für das unschuldige Ungeheuer, das weder aus eigener Absicht auf die Welt gekommen ist noch aus vorsätzlicher Boshaftigkeit auf junge Männer und Frauen lauert. Es benimmt sich seiner Natur gemäß, ganz einfach unwissend und neugierig: „als ihm das Mädchen in die Arme lief, als er mit einem Male den Leib fühlte, das warme, schweißgebadete Fleisch, und nicht das harte Glas, das er bis jetzt gefühlt hatte, begriff er — insofern man beim Minotaurus von Begreifen reden kann —, daß er bis jetzt in einer Welt gelebt hatte, in der es nur Minotauren gab […] er wußte nicht, daß er das Mädchen nahm, er konnte auch nicht wissen, daß er es tötete, wußte er doch nicht, was Leben war und was Tod.“ Ein unwissendes Opfer fremder Fehler, anderer Missetaten, für die es keine Verantwortung tragen sollte, doch als einziges, abgestoßenes Exemplar seiner Gattung den Kopf hinhalten muss. Im Spiegellabyrinth, das es ein- und ausschließt, steht sich der Minotaurus nur seiner selbst tausendfach widerspiegelt gegenüber, ohne das Privileg oder das Unglück die geringste Kenntnis über das Universum zu erlangen. Dennoch bleibt ihm die Ergründung des Wissens um seiner selbst, die den Stiermensch in der Unberührtheit einer gläsernen Krippe stillt. Und er nimmt sich wahr: „Er spürte, daß es nicht viele Minotauren gab, sondern nur einen Minotaurus, daß es nur ein Wesen gab, wie er eines war, ein anderes nicht vor ihm und ein anderes nicht nach ihm […] und wie er dalag, zusammengerollt, wie er im Leib Pasiphaes zusammengerollt gewesen war, träumte der Minotaurus, er sei ein Mensch.“ Ob nun vom tödlichen Ende des Minotaurus abgesehen wird oder nicht, dürfte der verspiegelte Irrgarten ein eben solches Symbol der Abkapslung vom unverständlichen Gesellschaftssystem und ein ersehntes Zurückfinden in die Klarheit und Ordnung der eigenen, inneren Welt darstellen. Dürrenmatt spielt sich hier selbst zu und bewahrheitet in seiner nur leicht getarnten Fiktion die grundlegende philosophische Haltung, die er sich von der unbeschwerten Kindheit an bis an sein Lebensende angereift hat und die ihn wie ein Tabernakel von den erdrückenden Zuständen abzuschirmen vermochte.

5 Zwischenresümee

Nun haben wir Dürrenmatts literarische Galerie mit ihren fratzenhaften Exponaten im Laufschritt durchquert, deren Destillat analytischer Schwerpunkte auf diesen Kapitel hinzu gekostet und dringen ins Niemandsland ein. Hinter uns die zuvor in grober Auswahl illustrierten Darsteller seines grotesken Wandgemäldes, die das konventionelle Fundament der menschlichen Weltanschauung erschüttern und die darauf gebaute Struktur mit sich in den Abgrund zu reißen drohen. Angefault sind die Säulen der Zivilisation, „durch welche ein barbarisches Volk hindurchgehen muß, um zur höhern Kultur in Industrie, Kunst, Wissenschaft zu gelangen.“ Denn Dürrenmatt dreht den Spieß um, warnt unablässig vor dem „Ausgeliefertsein des Menschen an die Barbarei“ des zivilen Fortschrittes und bringt es anhand der geschilderten Erlebnisse seiner Akteure auf den Punkt. Mit einem wahllosen Stoß ihres Richtschwertes würgt die blinde Justitia Den Unschuldsschrei des zu Tode verhörten Hausierers,. Seiner Menschlichkeit beraubt, ist der gemeine Textilreisende nicht imstande der subtilen Belastung seiner eigenen Weltanschauung entgegenzuwirken und stürzt sich in den Selbstmord. Der Racheakt einer alten Dame verspottet nicht nur die menschliche Misere eines Dorfes, sondern verhöhnt kleingeldlich geradewegs die gesamte Weltordnung, in der ein Auftragsmord als Sühne gebilligt, ja geradewegs verlangt wird. Glanz und Gloria der Politik sind eine unberechenbare Zumutung, die gegen die Vernunft anstoßen und wie auf einem Brettspiel früher oder später das Menschliche Dasein verzechen. Nicht einmal die Mythen bleiben verschont, erlegen sie doch mit List die von ihrer Verdorbenheit selbst erschaffene und kostbare Einzelkreatur.
Wuchtige Pinselstriche dick aufgetragener Farben sind es, deren Übersättigung das Weltgemälde schier zum bersten verurteilen, als hielten die gemalten Bilder den Druck ihrer eigenen Klage nicht aus. Die Kolorierungen verdichten sich zunehmend und ermöglichen eine schärfere Wahrnehmung des anschwellenden Nichts, das die Sinnlosigkeit der in völliger Dunkelheit umhertappenden Menschheit zurückstrahlt. Mit der beißenden Detailtreue eines Goyas hält Dürrenmatt dem Weltsystem seine unerträglichen Gegensätzlichkeiten entgegen und untergräbt somit sein Fundament vorurteilsfrei. Weder aufgebracht noch verzweifelt, aber mit unaufhaltsamer Zielstrebigkeit, durchleuchtet er die Chimäre strukturierter Sozialordnungen oder eudämonischer Lebensziele und scheint auf seine Art Macbeths Urteil zu adaptieren: „Was ist Leben? Ein Schatten, der vorüber streicht! Ein armer Gaukler, Der seine Stunde lang sich auf der Bühne Zerquält und tobt; dann hört man ihn nicht mehr. Ein Märchen ist es, das ein Thor erzählt, Voll Wortschwall, und bedeutet nichts.“
Diese Aburteilung jeder sinnlosen Zivilisationsliturgie, die in den bisher ausgesuchten Werken Dürrenmatts unterschiedlich getarnt und in vielgestaltigen Abweichungen erschienen ist, weist bereits die unübersehbaren Merkmale eines sich profilierenden Nihilismus auf. Ein Nihilismus besonderer Sorte natürlich, der weder das literarische Hauptmotiv noch die philosophische Grundlage Dürrenmatts darstellen soll. Nichtsdestoweniger wird er in den ausgewählten Werken seine Position behaupten können und uns gestatten, sein Auftreten rechtfertigen, verstehen und bis zum Epilog dieser These lückenlos im Auge behalten zu können.

6 Dürrenmatts Nihilismus

Wenn man nun bei Dürrenmatt den Terminus Nihilismus gebraucht, bezieht man im Grunde genommen eine Stellung, wozu einen seine schöpferische Gesinnung und die daraus entspringenden Werke berechtigen dürften. Seitdem er begrifflich in den analytischen Schwerpunkten des vierten Kapitels schon wahrnehmbar geworden ist, wird er demnächst auch seine lexikalische Identität preisgeben. Dementsprechend ist eine Beschneidung bestimmter Nuancen des semantischen Spektrums von Nöten, Um die Bedeutung des Wortes auf den Künstler fein auszurichten. Die im Duden nachschlagbare Definition des Vokabels als: „philosophische Anschauung von der Nichtigkeit, Sinnlosigkeit alles Bestehenden, des Seienden“, wiedergibt eine trockene Begriffsbestimmung, deren förmliche Steifigkeit oberflächlich nur schwer zur mutierend ausschweifenden und sich mitunter widersprechenden Welt des Konolfingers anpassen lässt. Richtig dekliniert aber, entspricht sie verblüffend dem Fundament und der Struktur des nihilistischen Bereichs seines Schaffens. Dass die Auslegung des Wörterbuches dabei keine enzyklopädische Tragweite erreicht, ist gerade für die Bedeutungsabgrenzung dienlich. Weder kämpferische Varianten anarchischer Art noch, im engeren Sinne, eine strenge Observanz der philosophischen Diktate Schopenhauers oder Nietzsches haben nämlich mit Dürrenmatts literarischer Verwertung dieses Begriffs etwas zu tun. Der artistische Hauch seines Nihilismus überwiegt nämlich jede Gedankenspekulation um Welten: wird er doch mehr gefühlt als erklärt, mehr erzählt als doziert.
Nichtsdestoweniger sind in der begrifflichen Auslegung dieses Motivs Künstlerische und philosophische Einflüsse nicht von der Hand zu Weisen, die, von Dürrenmatts Anlage mal abgesehen, größtenteils auf seine Studiensemester zurückzuführen sind. Für sein erstes Prosawerk ‚Weihnacht’ ließ er sich etwa von Büchners ‚Woyzeck’ und seiner furchtbaren Kosmologie inspirieren, die der Verfasser des ‚Hessischen Landboten’ in ‚Dantons Tod’ mit ebenso mustergültigem Nihilismus schattiert hatte. Eine nicht nur stilistische, sondern auch inhaltliche Besonderheit, die dem jungen Berner nicht entgangen sein durfte, bewunderte er doch Büchners ‚Woyzeck’ und Goethes ‚Urfaust’ als die revolutionärsten Werke der deutschen Literatur überhaupt. Dass er dabei seine künstlerische Wahlverwandtschaft vom Darmstädter über Heym, Trakl und Kafka bis zu Wedekind Ausstreckte, bestätigt bloß Dürrenmatts Hang zur vorkriegszeitlichen Avantgarde, die er philosophisch mit Kierkegaards, Kants und Vaihingers Vorlagen abrundete. Expressionistische und Existenzphilosophische Hintergründe, mit deren Bestandteilen der Schriftsteller die Rezeptur seiner Eigenständigen Kunst feinfühlig dosiert. Und der Nihilismus gehört freilich dazu.
Ein Nihilismus besonderer Sorte sagte ich weiter oben, der eher nach außen als nach innen gerichtet ist und mit dem Dürrenmatt wie mit einem klinischen Instrument hantiert, um den erbärmlichen Status der Welt zu diagnostizieren. Wie ein tüftelnder Laborant setzt er dieses besondere Reagenz ein, um alles Menschliche, von der Ein- bis zur Mehrzahl, auf seine unsagbaren Schandtaten zu prüfen und seiner verkehrten „Welt Welten entgegenzusetzen“. Ein Tintenlöscher, mit dem er den trügerischen Antlitz der heilen Welt mit progressiven Tilgungen bis zur Grimasse auflöst oder gar vollständig löscht, um aus dem alles ermöglichenden Nichts seine Ungeheuchelten Mahnmale zu schöpfen. Dass beim kreativen Akt der Schriftsteller in Mitleidenschaft gezogen wird, kann bloß der Natur der Dinge entsprechen. Bestünde nämlich in Dürrenmatt keine nihilistische Ader, keine noch so geringe Neigung zum Nichtigen, wären die in den nächsten Absätzen analysierten Werke anhand seiner kulturellen Hintergründe allein nur schwer zu erklären.
Beschäftigen wollen wir uns zunächst mit dem Nihilismus als individuelle Haltung und Glaubensbekenntnis, um danach dessen Beziehung zur Apokalypse, im Sinne des menschlichen Untergangs, und die damit verbundenen Vernichtungsszenarien näher zu betrachten. Inwiefern Hoffnung besteht sich vor der Vernichtung zu retten und wessen Chancen Dürrenmatt diesbezüglich höher einschätzt, sind die letzten Fragen mit denen wir uns anschließend befassen werden. Dabei wird auffallen, dass Sich der Schriftsteller sukzessiv von der hauptsächlich fiktionalen Aufführung dieser Themen abwendet, um sie mehr und mehr auf die potentielle Umsetzbarkeit apokalyptischer Befürchtungen im zeitgenössischen Weltgeschehen zu prüfen.

6.1 Nihilismus als individuelle Haltung und Apologie.
Trotz der üblichen Abweichungen, die man sich von Dürrenmatts exzentrischer Interpretation der Gattung erwarten muss, erfüllen Die im ‚Schweizerischen Beobachter’ erstmals erschienenen Erzählungen ‚Der Richter und sein Henker’ und dessen Fortsetzung ‚Der Verdacht’ die Voraussetzungen eines Kriminalromans. Mehr als die Untersuchungen des Kommissärs Bärlach aber, sind es die beiden Verbrecher der jeweiligen Erzählungen, der ehemalige Gesandte und Interessenvertreter Gastmann und der Arzt und Klinikinhaber Emmenberger, die unser Interesse am Geschehen wecken. An ihren eigenen Handlungen und Worten werden wir einerseits die Haltung und andererseits die Lehre sich bekennender Nihilisten mit solch einer Ausführlichkeit erfahren, dass ich, besonders in Verbindung mit dem Fortsetzungsroman, nicht umsonst von Apologie des Nihilismus Spreche.

6.1.1 Der Richter und sein Henker.
– Am Rande einer Landstraße im bernischen Jura bemerkt ein Polizist ein stehender Wagen, hinter dessen Steuer der erschossene Beamte Schmied sitzt. Eine auf dem Boden des Tatorts gefundene Kugel, bringt Kommissär Bärlach bereits von Anfang an auf die Spur des vermutlichen Täters. Für die polizeilichen Untersuchungen lässt sich der betagte und schwerkranke Kommissär vom jungen Kollegen Tschanz unterstützen. Dieser sammelt eifrig Indizien gegen den einflussreichen Herrn Gastmann, in dessen Haus sich Schmied unter falschen Namen mehrmals bei Abendgesellschaften hatte erblicken lassen, um den Gastgeber außerdienstlich zu überwachen. Bärlach begleitet Tschanz zu Gastmanns Villa, wo der Kommissär von dessen riesigen Hund angegriffen und nur dank eines gezielten Revolverschusses seines jungen untergeordneten gerettet wird. Mit Gastmann kommen sie zwar wegen der aufgebrachten Stimmung seiner wichtigen Gäste nicht zum Gespräch, doch Bärlach beschlagnahmt den Hundekadaver, während Tschanz im naheliegenden Dorf weiter ermittelt. Der Kommissär wohnt Schmieds Beerdigung bei, kehrt anschließend nach Hause und wird von Gastmann in seinem eigenen Wohnzimmer empfangen. Ihr gespanntes Gespräch offenbart, dass sich die beiden seit über vierzig Jahren Kennen, obwohl sie seitdem unterschiedliche Wege gegangen sind: Gastmann wurde ein immer kühnerer Mörder, Bärlach ein begabter Kriminalist, dessen Lebensaufgabe darin bestand, Gastmann einmal doch noch für seine Verbrechen zu überführen. Gastmann weist jede Beteiligung an Schmieds Ermordung ab und ermuntert Bärlach spöttisch sich zu beeilen, denn der gesundheitliche Zustand des Kommissärs gewähre ihm gewiss wenig Zeit den unerwünschten Besucher dennoch zu stellen.
In den folgenden Tagen bedrängt Tschanz den Kommissär und besteht auf die Vernehmung aller Besucher Gastmanns, deren Aussagen für die Aufklärung des Mordes wichtig sein könnten. Bärlach verzieht keine Miene, weil er den Mörder längst erkannt hat. Trotz der Bedenken seines langjährigen Freundes Doktor Hungertobel will der Kommissär seine letzten zwei Tage vor der eigenen Magenoperation ausnützen, um Gastmann endlich zu überführen. Die beiden treffen sich noch ein letztes Mal auf der Straße und sprechen sich gegenseitig ihr Todesurteil aus. Bärlach versichertseinem Erzfeind , dass er ihm noch am selben Tag seinen Henker zur Urteilsvollstreckung schicken werde. In der Tat begibt sich am Nachmittag Tschanz zu Gastmann, um ihn des Mordes zu bezichtigen. Dort wird er von den Bediensteten angeschossen, worauf er mit seiner Waffe das Feuer erwidert und Gastmann und seine beiden Diener umbringt.
Obschon der Fall gelöst scheint, lädt Bärlach Tschanz zu sich nach Hause ein und teilt dem wortlosen Polizisten mit, dass er, Tschanz, der Mörder Schmieds sei. Er habe aus Eifersucht auf den Erfolg seines Kollegen gemordet und bewusst Gastmann verdächtigt, um sich ein Alibi zu verschaffen. Der Beweis seien die beiden identischen Kugeln, die Bärlach am Tatort und im Körper des toten Hundes finden konnte; beide aus der Ordonnanzwaffe Tschanz’ stammend. Schmied habe er ursprünglich zu Gastmanns Überführung eingesetzt, aber nach dessen Ermordung den Plan ändern müssen und Tschanz als Werkzeug seiner rechtlosen Gerechtigkeit benutzt. Richten wolle er ihn aber nicht und lässt somit Tschanz ziehen, der sich kurz darauf das Leben nimmt. –

Im Roman selten erscheinend und noch weniger zu Worte kommend, beeinträchtigt Gastmanns Figur die Handlung dennoch aufs Wesentlichste, stellt er ja für Bärlach den Kernpunkt seines Lebens dar, wonach sich im Prinzip alles, einschließlich Schmieds Mord, richten muss. Diese Hartnäckigkeit beruht auf einer von Bärlach in der Türkei mit Gastmann geschlossenen Wette, deren Sinn darin bestand, dass Gastmann einen Mord vor Bärlachs Augen hätte vollbringen können, ohne vom Kommissär überführt zu werden. Die Tatsache, dass Bärlach diese in einer Kneipe geschlossene Wette nicht ernst nahm, hinderte Gastmann nicht daran sie seinerseits einzuhalten und einen deutschen Kaufmann in flagranti umzubringen. Dem Kommissär gelang es nicht Gastmann verurteilen zu lassen und seitdem ist er ihm stets auf den Fersen.
Infolgedessen ist diese Ahndung für Bärlachs Menschenverstand eine selbstverständliche Pflicht, für Gastmann dagegen eine unzweifelhafte Konvention, die seine Lust für die Freiheit ohne Moral geradewegs zur nihilistischen Haltung steigert. Er selbst wirft es Bärlach in dessen Wohnzimmer dreist an den Kopf: „So lebten wir denn. Du ein Leben unter deinen Vorgesetzten, in deinen Polizeirevieren und muffigen Amtsstuben, immer brav eine Sprosse um die andere auf der Leiter deiner bescheidenen Erfolge erklimmend, dich mit Dieben und Falschem herumschlagend, mit armen Schluckern, die nie recht ins Leben kamen, und mit armseligen Mörderchen, wenn es hochkam, ich dagegen bald im Dunkeln, im Dickicht verlorener Großstädte, bald im Lichte glänzender Positionen, ordenübersät, aus Übermut das Gute übend, wenn ich Lust dazu hatte, und wieder aus einer anderen Laune heraus das Schlechte liebend. Welch ein abenteuerlicher Spaß!“
Noch sorgfältiger die Beschreibung eines bei Gastmanns Soireen anwesenden Schriftstellers, der vom Kommissär und seinem Adjutanten befragt, folgendermaßen erwidert: „Was mich an ihm fasziniert, ist […] die Möglichkeit eines Menschen, der nun wirklich ein Nihilist ist […]. Vielleicht hat Gastmann mehr Gutes getan, als wir drei zusammen, die wir hier in diesem schiefen Zimmer sitzen […]. Wenn ich ihn schlecht nenne, so darum, weil er das Gute ebenso aus einer Laune, aus einem Einfall tut wie das Schlechte, welches ich ihm zutraue. Er wird nie das Böse tun, um etwas zu erreichen, wie andere ihre Verbrechen begehen, um Geld zu besitzen, eine Frau zu erobern oder Macht zu gewinnen, er wird es tun, wenn es sinnlos ist, vielleicht, denn bei ihm sind immer zwei Dinge möglich, das Schlechte und das Gute, und der Zufall entscheidet.“
Eine Haltung, deren Kohärenz jene des moralischen oder unmoralischen Menschen in Sachen Beständigkeit bei weitem übertrifft. Denn Gut und Böse ergeben sich nur durch die Anerkennung einer vorhandenen Wertevorstellung, deren Achtung oder Verachtung eine Anstrengung abverlangt, der man nie vollständig gewachsen ist. Amoral ist hingegen Gastmanns Devise. Seine Aberkennung jeglicher Sittlichkeit erzeugt Taten wie durch ein Zufallsgenerator, deren Umsetzung anstrengungslos erfolgt und nur von der absoluten Selbstbestimmung beeinflusst werden kann. Entsprechend fällt die Bilanz des Romans aus. Bärlachs beruflich bestimmte Moral kippt in eine manische Verfolgungsjagd, überschreitet gesetzliche Kompetenzen, ruiniert seine eigene Gesundheit und stellt ihn schlussendlich selbst als gesetzloser Rechtshüter hin. Dagegen rechtfertigt Gastmanns deklarierte Autarkie seine unverkrampfte Attitüde voll und ganz, betrachtet er doch das ihn Umgebende als eigenes Hoheitsgebiet, worin er bloß seine absolute Freiheit als Maßstab akzeptiert. „Bei ihm ist das Böse nicht der Ausdruck einer Philosophie oder eines Triebes, sondern seiner Freiheit: Der Freiheit des Nichts.“
Worte, die nicht nur die nihilistische Haltung Gastmanns unterstreichen, Sondern ein Deutungsversuch darstellen, der die tiefsten Beweggründe seiner amoralischen Stellungsnahme hervorhebt. Ein theoretisches Fundament irgendwie, das im Fortsetzungsroman ‚Der Verdacht’ von Doktor Emmenberger in seiner Apologie des Nihilismus ans Tageslicht gebracht wird.

6.1.2 Der Verdacht.
– Kommissär Bärlach wird kurz nach Tschanz Tod von seinem Arzt und Freund Samuel Hungertobel chirurgisch behandelt und genest langsam im Kramkenhaus vor sich hin. Doch ein Foto auf einer alten Life Ausgabe, die der Kommissär auf seinem Bett liest und einen ohne Narkose operierenden Arzt im Konzentrationslager Stutthof zeigt, erschrickt den Arzt augenscheinlich. Bärlach bemerkt es und nach einer kurzen Befragung, gibt Hungertobel zu, dass der abgebildete Nazi, ein gewisser Nehle, dem berühmten Privatklinikbesitzer Doktor Emmenberger gleicht. Hungertobel besteht aber sogleich darauf, dass es sich um eine Verwechslung handeln muss, habe doch Emmenberger bis 1945 in Chile gelebt, während der andere in Stutthof seine Opfer operierte. Bärlach schöpft jedoch den Verdacht, dass Emmenberger trotzdem etwas mit diesem berüchtigten Nehle zu tun haben könnte. In derselben Nacht besucht der riesige Jude Gulliver, mit dem der Kommissär zuvor über Umwege Kontakt aufgenommen hatte, Bärlach unbemerkt in dessen Krankenhauszimmer. Der Jude, der in Nehles Konzentrationslager gewesen war, erzählt Bärlach die damaligen Ereignisse und wie er mit seinem Leben davonkam, nachdem auch er von Nehle ohne Narkose operiert worden war. Gulliver verabschiedet sich Anschließend und verlässt Bärlach, ohne dass dieser ihm von seinem Verdacht etwas erzählt. Am Tag danach schreibt Bärlach einen Steckbrief, in dem er einen Anonymen Nazi-Arzt in Zürich auffordert sich der Polizei zu stellen, übergibt ihn dem zu Besuch geladenen Schriftsteller Fortschig und bittet ihn den Artikel auf seinem Bulletin ‚Der Apfelschuss’ zu veröffentlichen. Gleichzeitig weist er Hungertobel an, ihn unter falschem Namen als Patient in Emmenbergers Klinik in Zürich anzumelden.
Am Silvesterabend fährt Hungertobel Bärlach zu Emmenbergers Klinik, wo der Kommissär vom Arzt gleich zur Untersuchung empfangen wird. Bärlach versucht mit listigen Anspielungen Emmenberger aus der Ruhe zu bringen, ohne sein Ziel jedoch zu erreichen. Ihm wird ein Beruhigungsmittel verabreicht und daraufhin in sein Zimmer begleitet, wo er bloß nach fünf Tagen kraftlos erwacht. Doktor Marlok, Emmenbergers Geliebte und ehemaliges KZ-Opfer, klärt Bärlach darüber auf, dass er mittels Insulintherapie für mehrere Tage ausgeschaltet worden sei und dass man über seine Identität alles wisse. Sie übergibt ihm eine Kopie des ‚Apfelschusses’, auf dem sein Steckbrief steht, und eine Zeitung, in der er zu seinem Entsetzen die Todesanzeige Fortschigs liest. Er weiß, dass er verloren ist. Emmenberger tritt in sein Zimmer, öffnet per Knopfdruck eine Schiebewand, hinter der ein funkelnder Operationssaal erscheint, und teilt Bärlach mit, er werde ihn am nächsten Tag um sieben in der Früh ohne Narkose operieren. Dass Fortschig getötet werden musste sei klar gewesen, genauso klar die bevorstehende Tötung Hungertobels. Bärlach weiß nun, dass Emmenberger Nehles Platz und Identität in Stutthof eingenommen hatte und dass der eigentliche Nehle nach Chile übersiedelt war, bis er nach dem Krieg von Emmenberg in Hamburg zum Selbstmord gezwungen wurde, um letzterem seine neue Karriere in Zürich zu ermöglichen.
Der Arzt verlässt das Zimmer, die Zeit vergeht und Bärlach scheint sich seinem Todesschicksal zu fügen. Um sieben Uhr geht die Türe auf, doch anstatt Emmenberger steht Gulliver vor ihm. Er habe seit ihrer ersten Begegnung gewusst, dass Bärlach einen Verdacht hatte. Darum habe er mit Hungertobel gesprochen, sei in die klinik gekommen und habe Emmenberger hingerichtet. Er verabschiedet sich zum letzten Mal von Bärlach und verschwindet aus dem Fenster, während Hungertobel im Zimmer erscheint, um den Kommissär wieder nach Bern zu begleiten. –

Dürrenmatt scheint diesmal Kommissär Bärlach keine Chance zu gewähren. Die in der Affäre Gastmann genossene Bewegungsfreiheit besteht nicht mehr, genauso wenig das Gefühl Herr der Lage zu sein. Bettlägerig ist er Emmenberger hilflos ausgeliefert und muss zuhören, wie der Arzt ihm ruhig und gelassen seine Verbrechen quasi anvertraut. Und genau an diesem Punkt beginnt Emmenbergers Apologie, als Antwort auf Bärlachs gedrängte Aussage: „’Sie sind ein Nihilist’, sagte er leise, fast flüsternd in den schweigenden Raum hinein, in welchem nur die Uhr tickte. Immerzu. ‚Sie wollen damit sagen, daß ich nichts glaube?’ fragte Emmenberger, und seine Stimme verriet nicht die leiseste Bitterkeit. ‚Ich kann mir nicht denken, daß meine Worte irgendeinen andern Sinn haben können’, antwortete der Alte in seinem Bett, die Hände hilflos auf der Decke. ‚Woran glauben Sie denn, Herr Kommissär?’ fragte der Arzt, ohne seine Stellung zu verändern, und sah den Alten neugierig und gespannt an.“
Der Arzt kontert geschickt und Bärlach hat auf diese Gegenfrage keine Antwort auf Lager, scheint ihm doch eine rationale Konfrontation mit Emmenberger ohne gemeinsame Anhaltspunkte sinnlos. Sein Schweigen lässt aber Emmenberger wiederum freien Lauf und dieser steigert sich in eine faszinierende Auslegung seines Glaubens: „Ich schäme mich nicht, ein Kredo zu haben, ich schweige nicht, wie Sie geschwiegen haben. Wie die Christen an drei Dinge glauben, die nur ein Ding sind, an die Dreieinigkeit, so glaube ich an zwei Dinge, die doch ein und dasselbe sind, daß etwas ist, und daß ich bin. Ich glaube an die Materie, die gleichzeitig Kraft und Masse ist, ein unvorstellbares All und eine Kugel, die man umschreiten kann, abtasten wie einen Kinderball, auf der wir leben und durch die abenteuerliche Leere des Raums fahren […]. Und ich glaube, daß ich bin, als ein Teil dieser Materie, Atom, Kraft, Masse, Molekül wie Sie, und daß mir meine Existenz das Recht gibt, zu tun, was ich will. […] und mein Sinn besteht darin, nur Augenblick zu sein. O die gewaltige Nacht, da ich dies begriff! Nichts ist heilig als die Materie […]. Es ist Unsinn, an die Materie zu glauben und zugleich an einen Humanismus, man kann nur an die Materie glauben und an das Ich. Es gibt keine Gerechtigkeit –wie könnte die Materie gerecht sein -, es gibt nur die Freiheit, die nicht verdient werden kann […] sondern die man sich nehmen muß. Die Freiheit ist der Mut zum Verbrechen, weil sie selbst ein Verbrechen ist.“
Mit der Kraft eines Hohepriesters rezitiert Emmenberger seine Doktrin grenzenloser Freiheit, doch als Gottloser benötigt er es nicht auf Geheimnisse des Glaubens zurückzugreifen. Ähnlich wie bei Gastmann beruht seine unangreifbare Logik auf dem Verzicht menschlicher Sittsamkeiten, auf die Ablehnung ihrer Moral, denn „wenn ich mich außerhalb jeder Menschenordnung stelle, die unsere Schwäche errichtete, werde ich frei, werde ich nichts als ein Augenblick, aber was für ein Augenblick!“ Im wahren Sinne des Wortes Eine Existenzebene jenseits von Gut und Böse, zumal Emmenberger ab ovo Gott von seinem Amt enthebt und dementsprechend die jüdisch-christliche Werteskala mit einem Schlag zertrümmert. „Falls Gott nicht existiert, ist alles erlaubt“, bemerkte Ivan Karamasow; einschließlich morden aus gieriger Lust. Der äußerste Schritt, um die Allmächtigkeit des abgeschafften Gottes selbst zu übernehmen: „Ich habe einen Punkt erreicht, von dem aus ich mit mir wie mit einer fremden Person umzugehen vermag. Ich vernichte mich, ich bewahre mich. […]. Es ist gleichgültig […] was ich tue, eine mächtigere Position ist nicht mehr zu erreichen: sich diesen Punkt des Archimedes zu erobern, ist das höchste, was der Mensch erringen kann.“
Ob er das Spiel mit der absoluten Macht zeitlich halten kann oder nicht, ist indes für Emmenberger unwichtig: „Ich war mächtig, weil ich mich nie fürchtete, weil es mir gleichgültig war, ob ich entdeckt werde oder nicht. Ich bin auch jetzt bereit, alles auf ein Los zu werfen.“ Darüber im Bilde, dass er jeden Augenblick seines Daseins Schachmatt gesetzt werden kann, nimmt er das Risiko als Pfand seiner Freiheit gelassen in Kauf: „Ich wäre ein schlechter Schachspieler, wenn ich nicht mit dieser Möglichkeit rechnete.“ Verlöre er, würde das seine Vernichtung bedeuten. Ein Untergang, den Dürrenmatt am Ende des Romans freilich für ihn allein vorgesehen hat, den er aber anderswo mit unterschiedlichem Wahrscheinlichkeitsgrad auf die ganze Menschheit zu übertragen scheint.

6.2 Nihilismus und Apokalypse der Menschheit.
In den nächsten zwei Kurzerzählungen unterlässt es Dürrenmatt bloß das nihilistische Motiv beider Interpreten zu verfolgen und verändert die Brennweite der Geschehnisse, bis er im Weitwinkel das ganze Menschentum einfasst. Damit überträgt er die individuelle Einstellung auf die Gesellschaft als Ganzes, wobei diese mengenmäßige Veränderung auch eine lexikalische herbeiführt. Findet nämlich der Nihilismus als Gegenpol im Einzelnen seine Bestätigung, verliert er in der absoluten Verallgemeinung seine Bedeutung, wo er, wie wir sehen werden, von jener der Apokalypse ersetzt wird. Dass diese begriffliche Verschiebung nur vom Standpunkt des betrachtenden Nihilisten aus gerechtfertigt werden kann, während das Menschliche Kollektiv infolgedessen bloß als direktes Objekt dasteht, ist im Endeffekt für die künstlerische Zweckerfüllung Dürrenmatts nicht maßgebend.
Wären es Dramen, würden ‚Der Nihilist’ und ‚Der Tunnel’ ein unterschiedliches Bühnenbild aufweisen, aber das identische Regiebuch unter der feinfühligen Leitung des gleichen Regisseurs teilen. Weshalb gleich beide Novellen hintereinander in einem Atemzug zusammengefasst werden, um anschließend die Parallelen der beidseitig verkündeten Botschaft, die nihilistische und die apokalyptische, auszuforschen.

6.2.1 Der Nihilist.
– In der Ich-Form schildert der anonyme Erzähler ein ihm zugestoßenes Ereignis. Über längere Zeit fühlt er sich von jemanden beschattet, auf Schritt und Tritt auf allen nächtlichen Strassen der vernebelten Stadt verfolgt, bis er eines Tages den unheimlichen Nachläufer kurz vor der anbrechenden Dämmerung in einer Sackgasse stellt. Er wagt es aber nicht sich dem vor ihm vernommenen Schatten näher zu treten, fordert ihn vergebens auf seine Identität preiszugeben, wendet sich schlussendlich von ihm ab und geht seines Weges. Irgendwann im Sommer aber, setzt sich ein Unbekannter draußen vor einer Kneipe an denselben Tisch und bekennt ihm, dass er sein Verfolger sei, alles über seine Lebensgewohnheiten wisse und ihn zum gemeinsamen Spaziergang einlade. Der Erzähler nimmt das Angebot an und hört nun dem Begleiter aufmerksam zu, wie er ihm ruhig von seinem Drang zum Tode, von seiner seit Jahr und Tag ersehnten Lebensabkehr, ja von seinem innbrünstigen Verlangen nach Vernichtung schildert. Im ungeheuren Rundgang spielen weder Name noch Beruf des Begleiters für den Erzähler eine Rolle, der sich ohne ein Wort zu sagen diese groteske Beichte anhört.
Der Unbekannte berichtet wie er einst im frostigen Winter einen Streng bewachten Grenzübergang durchquerte, in der Hoffnung ein Wächter würde ihn erschießen, genauso wie es dem Toten geschehen war, der auf der verschneiten Lichtung vor seinen Füßen bäuchlings ausgestreckt lag. Er wartete den ganzen Tag auf die erlösende Kugel, die nicht kam. Stattdessen schritt ihm am späten Nachmittag von der gegenüberliegenden Richtung die Frau des Erschossenen entgegen und lud ihn ein sich mit ihr zu gesellen, was er auch einwilligend tat. Jenseits der Grenze begaben sie sich in ein halb verlassenes Dorf, traten in ein herabgekommenes Haus und stiegen in ein spärlich beleuchtetes Zimmer, wo ihn nach dem Beischlaf ein schrecklicher Traum ereilte.
Er träumte von einer unendlichen, wie im finsteren Nichts schwebenden Granittreppe, die gigantisch aus einer unsichtbaren Höhe in eine schwindelerregende Tiefe führte und worauf eine maßlose Menschenmasse rasch nach unten stieg. Er selbst war im tristen Strom der abwärts Gehenden und folgte ihnen kollegial, wie sich das Menschen untereinander gewöhnt sind, oder vielleicht weil der Weg nach oben gegen die allgemeine Laufrichtung ganz einfach unüberwindbar schien. Je mehr er nach unten schritt, desto lauter wurde das humane Getöse, bis er klar sehen konnte, wie die Treppe in ein feuriges Flammenmeer entströmte, in das sich die Menschen heulend stürzten. Plötzlich bemerkte er, wie von unten eine fürchterliche Gestallt mit halb verkohlten Gliedern, sich durch die Menschenmasse zwängend, hastig aufwärts stieg, ihn fast überrannte und nach oben verschwand. Es ergriff ihn das gleiche Verlangen sich vom eben wahrgenommenen Schicksal alles Menschlichen abzuwenden, um das andere Ende der Treppe zu erreichen. Immer weiter hinaufsteigend, fiel ihm auf, dass er sich stets müheloser durch die Menge drängen musste, dass er immer wenigeren Leuten begegnete und dass diese merkwürdiger angezogen waren als die zuvor. Nicht mehr wie er waren sie gekleidet, sondern in mittelalterlicher Tracht, später in klassischer Robe und weiter oben sogar als Tiefstirnige in Tierpelzen gehüllt. Dann schritt ihm niemand mehr entgegen, er stieg weiter, Stufe um Stufe, nach anderen Menschen Ausschau haltend und umsonst nach ihnen rufend. Er war ganz allein im stockfinsteren Nichts, auf einer kalten Granittreppe, die immer weiter in die Höhe führte und auf deren Quadern bloß seine Schritte widerhallten. Ein letztes Mal nur hörte er von oben schnelle, unregelmäßige Tritte sich nähern: es war die Gestalt mit den halb verkohlten Gliedern, die strauchelnd kopfüber die Treppe nach unten schlitterte, um in der Tiefe zu verschwinden. Er selbst verharrte noch eine Weile verbissen in seiner Absicht, bis er jedoch nicht mehr weitersteigen wollte, den Entschluss fasste und sich in den Abgrund fallen ließ. Er schrie auf und wurde von der neben ihm im Bett liegenden Frau zärtlich beruhigt.
Beide kleideten sich und er entschloss sich zum Doppelmord. Sie saß am Tisch im flackernden Kerzenlicht in Erwartung des Unvermeidlichen: er schoss mehrmals auf sie, konnte aber den Selbstmord nicht vollziehen, worauf er das Haus verließ und von Behörden gehetzt zum benachbarten Dorf zurückfand. Was später geschah, sei reine Gewohnheit gewesen, sagt der Unbekannte dem immer noch zuhörenden Erzähler. Er habe geheiratet, Kinder gezeugt, eine Geliebte und eine gesicherte Arbeit gehabt; ein menschlicher Brauch, der ihm aber weder das Übel des Lebens noch die Lust zum Tod verdrängt habe.
Der Spaziergang endet in einem Fabrikareal. Der Unbekannte legt Hand an seine Pistole und zielt auf den erstarrten Erzähler, der den Eindruck hat in eine Falle gelockt worden zu sein, um als einziger Zeuge des vor ihm stehenden Mörders erledigt zu werden. Im letzten Augenblick richtet der Unbekannte die Waffe auf sich, drückt ab und sinkt auf den Boden nieder. –

Schon der Titel dieser Kurzgeschichte, ‚Der Nihilist’, erwehrt sich jeglicher Interpretation und weist zielgenau auf seinen Inhalt. Der Nihilismus wird selbst zum schnörkellosen Protagonisten der Schilderung und verzichtet auf die Anstrengung eines deduktiven Prozedere des Lesers, der weder Blendwerke erkennen noch hinter Fassaden gucken muss, um die expliziteste Offenbarung wahrzunehmen. Eine exklusive Chronik aus der Sicht eines Nihilisten, die in ihrer onirischen Vorstellungskraft alle Einzelteile seiner selbst aus den bislang angeführten Werken sammelt und die intimsten Beweggründe der zentralen Gestalt mit einer eschatologischen Vision verbindet.
Dass diese mehr als eine literarische Ausschweifung Dürrenmatts darstellen dürfte, beweist die tiefgründige Verwurzelung der Motive dieser Erzählung mit jenen des zwei Jahre danach veröffentlichten ‚Der Tunnel’, wo die gleich intensive Botschaft andersartig ausgerichtet wird.

6.2.2 Der Tunnel.
– Ein vierundzwanzigjähriger Student steigt am Bahnhof in den üblichen Lokalzug ein, um in Zürich einer Vorlesung beizuwohnen. Er setzt sich in der zweiten Klasse auf eine Sitzbank hin; vor und neben ihm, ein Schach spielender Passagier und ein Buch lesendes Fräulein. Ausgefallen ist die Präsenz des jungen Studenten. Fett, Wattebüschel in den Ohren, sich unaufhaltsam Zigarren in den Mund stopfend und Sonnengläser über die eigentlichen Brillen tragend, als wolle er die Welt zum Abstand zwingen und derselben das Eindringen in seinen Körper verhindern. Der Zug fährt pünktlich und nichts stört das langweilige Stakkato des auf den Schienen rollenden Bummlers, weniger noch den Zeitvertreib seiner Fahrgäste. Nach einer Weile taucht er planmäßig in einen Tunnel, die Lampen des Abteils leuchten auf, die Menschen stellen sich kaum auf die veränderten Lichtbedingungen ein, wissen sie doch dass es der gewohnte Tunnel ist, und alle warten sie auf das in wenigen Sekunden wiederkehrende Tageslicht. Doch die Dunkelheit draußen hält an, der Tunnel will nicht enden und der Zug hört sich schneller als sonst an. Niemand scheint die merkwürdige Lage zu bemerken, außer dem fetten Studenten, der den vorbeilaufenden und nach Fahrkarten verlangenden Schaffner um eine Erklärung bittet. Auf seine Armbanduhr deutend, bekundet er sein Bedenken, der Zug möge vielleicht auf einem falschen Gleis fahren. Der Kontrolleur versichert trocken alles sei in Ordnung, glotzt verlegen aus dem pechschwarzen Fenster und verschwindet weiter vorne im nächsten Abteil.
Während sich alle Menschen um ihn benehmen als sei nichts Ungeheuerliches im Gange, hält der Student es nicht mehr aus, steht auf, schreitet den Gang entlang, begibt sich in den darauffolgenden Speisewagen, durchquert ihn so schnell wie es ihm die speisenden Gäste und das herumlaufende Personal ermöglichen und trifft am Ende auf den Zugführer. Er verlangt von ihm zu wissen, wieso sich der Zug seit so langer Zeit im Tunnel befinde, worauf dieser den Studenten höflich bittet ihm in den Packwagen zu folgen. Sie seien nun an der Zugspitze, lässt der Zugführer im zunehmenden Lärm verlauten. Man müsse bedenken, dass man auf Schienen unterwegs sei und dass der Tunnel zwangsläufig aufhören müsse. Auf die bekümmerte Erwiderung des Studenten, nimmt er ihn zur Maschine mit, während sich das Abteil unerwartet nach vorne neigt und Kinderwagen und lose Koffer auf sie zurollen und rutschen.
Die beiden Männer verlassen den Packwagen, klettern im orkanartigen Getöse von stampfenden Rädern aufs Geländer der Lokomotive, öffnen die Tür und treten in einen leeren Raum. Der Lokomotivführer sei schon vor fünf Minuten abgesprungen und der im Packraum ebenso, spricht der Zugführer den Studenten an. Aus der Windschutzscheibe der Lok blicken sie in einen finsteren Abgrund, dessen Felsen rechts und links vom grellen Licht der Scheinwerfer beleuchtet immer geschwinder auf sie zuschießen. Die Maschine neigt sich zusehends, bis sie letztlich senkrecht in die Tiefe stürzt. Der Student samt Zugführer kleben mit ihren Gesichtern und aufgesperrten Augen auf dem kalten Glas der Windschutzscheibe und rasen ins Erdinnere. Auf die gekeuchte Frage des Zugführers, was zu tun sei, antwortet der vierundzwanzigjährige ruhig: „Nichts.“ –

6.2.3 Die Menschheit im Bann ihrer Hekatombe.
Sei es der unbekannte Verfolger, der sich am Ende seiner Erzählung selbst richtet oder der fette vierundzwanzigjährige, der im Höllenritt ins Erdinnere versinkt, beide finden ihre Abkehr vom Dasein, ohne sich dagegen wehren zu wollen. Und dennoch gelingt ihnen die Vernichtung auf unterschiedliche Art und Weise. Dem einen indem er den Tod herausfordernd sucht, als wollte er ihn nach belieben beherrschen, dem anderen bloß durch Zufall, als machtlosen Passagier eines der Verdammung geweihten Zuges. Dementsprechend konform auch ihre Haltung gegenüber der Welt, die sie umgibt. Der Verfolger dringt in sie ein, greift nach deren Möglichkeiten und schleicht sich wie ein Schakal an das Mitopfer seiner geplanten Selbstmordzeremonie heran, denn „Wir sind Wild, das gejagt und einmal erlegt wird.“ Der Student schottet sich dagegen von der Welt vollkommen ab, „damit das Schreckliche hinter den Kulissen […] nicht allzu nah an ihn herankomme.“ Gegenüber der zielstrebigen Selbstsicherheit des erfahrenen Verfolgers erweckt der noch jugendliche Student den Eindruck eines fragileren Individuums, zumal er ungewollt im ausweglosen Höllenkonvoi sitzt. Ihre Reaktion auf die bevorstehende Vernichtung widerspricht hingegen diesem Klischee, überwindet doch der Unbekannte die letzte Hemmung mit dem Kopfschuss „indem sich seine Augen mit Tränen füllten“, während der Vierundzwanzigjährige seinem Sturz in die Tiefe “mit einer gespensterhaften Heiterkeit“ entgegensieht.
Dürrenmatt scheint somit jede nur vorstellbare Schattierung der nihilistischen Verführung zwischen diesen zwei Menschenmuster einzukreisen, sie aber in ihrer Verwirklichung durchaus auf die ganze Menschheit auszuweiten. Denn auf der geträumten Granittreppe „wälzten sich Menschen hinab, unter ihm, auf gleicher Höhe und über ihm, in ungeheurer Zahl“, die alles humane Leben darstellen, genauso wie es das „Wirrwarr der Familien, Rekruten, Studenten und Liebespaare“ im Zug tut. Folglich behandelt der Schriftsteller die Vernichtung als Hekatombe aller Menschheit, als finales Harmagedon, durchaus nicht nur sinnbildlich gemeint. Unmissverständlich daher die Beschreibung des gemeinsamen Schicksals aus der Sicht des Unbekannten in der Tretmühle: „Immer deutlicher zeichnete sich ein riesiger Feuersee ab, in den sich die Masse ergoß. […] Mit geschlossenen Augen beschleunigten die Menschen neben und über ihm ihren Schritt, rissen die unteren mit und tauchten hinab, dem anschwellenden Heulen derer entgegen, die von den Flammen schon angeleckt wurden.“ Ebenbürtig das vernichtende Crescendo des Studenten im rasenden Zug: „der mit seinem fetten Leib, der jetzt nutzlos war und nicht mehr schützte, unbeweglich auf der Glasscheibe des Führerstandes klebte und den Abgrund unter ihm in seine nun zum ersten Mal weit geöffneten Augen sog. ‚Was sollen wir tun?’ schrie der Zugführer noch einmal, worauf der Vierundzwanzigjährige, ohne sein Gesicht vom Schauspiel abzuwenden, während die zwei Wattebüschel durch den ungeheuren Luftzug, der nun plötzlich hereinbrach, pfeilschnell nach oben in den Schacht über ihnen fegten, mit einer gespensterhaften Heiterkeit antwortete: ‚Nichts.’“

6.2.4 Ein gottloser Anfang und ein todsicheres Ende. Tertium non datur.
Dass ein Fluchtweg aus der unvermeidlichen Vernichtung indes nur zynisch vorgegaukelt wird, veranschaulichen beide Hauptdarsteller anhand ihrer vergeblichen Suche nach einem möglichen Ausweg. Um dem aussichtslosen Horrormarsch zu entkommen, läuft der Unbekannte „auch eine der Stufen nach links und nach rechts entlang, oft stundenlang, ohne eine Abgrenzung zu finden.“ Eine spöttische Täuschung, die auch dem fetten Vierundzwanzigjährigen widerfährt, sobald der Zugführer auf dessen Anregung die Maschine zu bremsen versucht: „’Bitte’, sagte der Zugführer und drückte einige Hebel nieder, zog auch die Notbremse. Die Maschine gehorchte nicht.“ Als wären es gemeine Attrappen, die dem Einzelnen wie dem menschlichen Kollektiv lediglich die Illusion alternativer Wege vorschwindeln, gewähren weder die bloß vermuteten aber unerreichbaren Abgrenzungen der Treppe noch die realen aber wirkungslosen Hebel und Notbremsen des Zuges andere Richtungen, als die vorgeschriebene Einbahnstraße. Nur das in der Tiefe seiende Ende ist stets todsicher, denn seine nahezu materielle Wahrnehmbarkeit wird durch dessen sichtbare Gegenwart potenziert.
Dürrenmattsche Eschatologie nannte ich es zuvor, und dennoch fehlt ein überzeugender Ansatz protologischer Natur, wofür sich der Schriftsteller nur andeutend entscheidet und dem er sich mit unsicheren Schritten heranwagen will. Dass hierbei eine göttliche Gestalt nirgends erwähnt wird, verlagert das Gleichgewicht eher zugunsten des Atheisten. Eine Spekulation, die vom hinaufsteigenden Unbekannten insofern unterstützt wird, als er in Richtung und Zeit rückläufig nicht bloß Zeuge der geschichtlichen sondern auch der biologischen Evolution wird: „und es begegneten ihm nun schon Einzelne, die allein hinunterstiegen, in Felle und Häute gekleidet. So zog die Menschheit an ihm vorbei, hinab in die Tiefe. Es kamen die letzten. Dunkle Horden, nackt und zusammengedrängt wie Tiere. […] mit riesenhaften Köpfen, in denen die Augen als weiße Steine lagen und deren niedrige Stirnen wie Fäuste vorsprangen, tierähnliche Wesen, planlos zerstreut in der Finsternis der ersten Zeiten.“ Es ist einleuchtend, dass für den Sohn eines protestantischen Pfarrers diese darwinistische Darlegung des Ursprunges der menschlichen Spezies einer heftigen Aberkennung der Schöpfungsetappen gleichkommt. Ob er sich dieser wissenschaftstheoretischen Eskamotage bedient, um seinem Verdruss in Abwesenheit seelischer Zufluchtsorte entgegenzusteuern, ist diskutierbar. Sicher scheint, dass er theistische Schwächeanfälle fast als psychologische Sicherheitsventile in Kauf nimmt, indem er den Unbekannten beispielshalber zur Überredung anderer zwingt: „Er lief verzweifelt schräg die Treppe hinauf, laut schreiend, um den anzuhalten, der vielleicht irgendwo hinunterstieg. Er wollte ihn fragen, warum er dies tue und ihn bitten, mit ihm nach oben zu steigen, damit beide gerettet würden.“ Doch es sind belanglose Beifügungen, die weder die Unerreichbarkeit des göttlichen Anfangs noch die unmögliche Rettung von oben in Frage stellen können. Dazu ermuntern uns Dürrenmatts biographische Zeugnisse in ihrer Zweideutigkeit ohnehin nicht. Die verwitwete Charlotte Kerr Dürrenmatt beteuerte beispielsweise, dass ihr verstorbener Ehemann zweifelsohne ein „Atheist“ gewesen sein musste. Eine Behauptung, die Ruth Dürrenmatt zwar eher mit Vorbehalt zu teilen scheint, aber trotzdem nicht definitiv abschlägt: „Er hat sich selber als Atheist bezeichnet, aber das ist einfach eine Reaktion gewesen, weil er etwas gehabt hat gegen […] eine Religion, die einem vorschreibt wie man denken muss.“ Noch behutsamer Peter Nobels Standpunkt: „Ich meine, er ist religionsmäßig […] vielleicht ein Agnostiker, denn da hat er auch viel dem naturwissenschaftlichen Zufall überlassen, und so.“
Wie dem auch sei, wird im Alptraum des unbekannten Nihilisten jegliche Konzession fideistischer Natur auf Eis gelegt: „Es war unmöglich, allein zu sein, nur sich selbst gegenüber, Auge in Auge mit sich selbst, ohne Distanz, ohne Welt, ohne Möglichkeit zu reden, zu beten, zu fluchen, zu schreien, denn alles, was er tat, verschluckte lautlos der Raum und zerrieb zu nichts die leere Zeit. In ihm war eine Schwerkraft, die ihn hinab zur Tiefe zwang. […] Er bedeckte seine Augen mit beiden Händen und stürzte hinab in die Tiefe, die ihre Arme öffnete, furchtbar in ihrer Majestät.“ Auswege gibt es keine. Übrig bleibt die Gewissheit vom reinsten Zufall gezeugt, in die Granittreppe oder in die Zugabteile hineingeboren worden zu sein, in Erwartung des Untergangs: „’Wir saßen noch in unseren Abteilen und wußten nicht, dass schon alles verloren war’, dachte er. ‚Es hatte sich noch nichts verändert, wie es schien, doch hatte uns in Wahrheit der Schacht nach der Tiefe zu schon aufgenommen’.“ Ein versklavtes Dasein also, in dem Ungeborenes höherer Freiheit entspricht, weil es der Abscheu des eigenen Todes und seiner Verwesung entbehrt. Das Geborene muss dagegen beim unwiderruflichen Untergang seiner selbst als Beendung des biologischen Zyklus mitwirken, was die Sinnlosigkeit der Existenz zur Genüge bezeugt.
Handelt es sich in diesem Fall um eine gewiss hoffnungslose doch immerhin naturgemäße Erlöschung, so bezieht sich Dürrenmatt anderswo auf einen verschiedenartigen Akt der Vernichtung, der entweder von der prosaischen Unzulänglichkeit des Menschen oder vom Astronomischen Knall verursacht wird, wie ‚Die Physiker’ und ‚Portrait eines Planeten’ belegen sollen.

6.3 Nihilismus und Apokalypse durch Mensch und All.
Von der onirisch-surrealen Stafette zwischen Nihilismus und Apokalypse wollen wir uns nun abwenden und lenken unsere Aufmerksamkeit auf zwei unterschiedlich erfolgreiche Dramen Dürrenmatts. ‚Die Physiker’ und ‚Portrait eines Planeten’ sind ebenfalls erdachte Gebilde, in diesem Fall einer Theaterwelt, doch im Gegensatz zu den vorangegangenen Kurzerzählungen ist ihr Bezug auf die zeitgenössischen Weltgeschehnisse mehr als deutlich. Im Hintergrund der Atomaren Bedrohung und detonierender Gestirne spielt sich der alltägliche Wahn der menschlichen Spezies ab. Hier gewinnt das Motiv der Apokalypse endgültig die Oberhand und expliziert die einzigen zwei Züge, die Dürrenmatt für die totale Vernichtung vorzusehen scheint: die als möglich gehaltene und vom Menschen eigens herbeigeführte Selbstzerstörung und die sichere obgleich zukünftige Verwüstung aus dem Weltall.

6.3.1 Die Physiker.
– In einem Nervensanatorium wird binnen drei Monaten zum zweiten Mal eine Krankenschwester von einem der Patienten ermordet. Der Polizeiinspektor und seine Assistenten treffen in der Anstalt ein, doch der Mörder kann vorläufig nicht verhört werden. Herr Ernesti, der sich für Einstein haltende Totschläger, spiele nämlich nebenan zur Entspannung Geige und werde am Klavier vom leitenden Psychiater begleitet, lässt die Oberkrankenschwester wissen. Der Inspektor entscheidet sich abzuwarten und wird kurz darauf von Isaac Newton angesprochen; ein Patient namens Beutler, der die vorletzte Pflegerin ermordet hatte, wie sich während des Gesprächs herausstellt. Das Duett beendet das Konzert und die Chefärztin Mathilde Von Zahnd tritt in den Salon ein, wo ihr der bekümmerte Inspektor von den heftigen Beschwerden des Staatsanwaltes berichtet. Der Beamte fordert sie auf die weiblichen Krankenschwestern mit männlichen Pflegern zu ersetzen, ansonsten wäre man vor anderen Delikten dieser Irren, die man ja als solche nicht verhaften könne, nicht sicher.
Der Inspektor verlässt das Sanatorium und die Chefärztin lässt Frau Möbius hereinbitten, samt deren drei Söhne und ihren neuen Ehemann, ein frommer Missionar, der mit der ganzen Familie demnächst auf die Mariannen versetzt wird. Sie möchte sich von ihrem ehemaligen Gatten, dem Patienten Möbius, endgültig verabschieden. Möbius ist ein echter Physiker, der dritte und letzte Patient des Flügels. Einst brillant und nun seit fünfzehn Jahren Gast im Irrenhaus, infolge seiner Visionen, in denen ihm der König Salomo erscheint und ihm die größten Geheimnisse der Welt verkündigt. Sie kommen kaum zu den Begrüßungen, den Möbius wendet sich barsch von ihnen ab und jagt sie alle unmissverständlich zum Teufel, in der innigen Hoffnung sie, zum Schutze ihrer selbst, nie mehr sehen zu Müssen. Um ihn zu beruhigen, bleibt Krankenschwester Monika bei ihm. Sie bekennt ihm nicht nur ihre Liebe, sondern auch ihre Überzeugung, dass er sein Wahnsinn nur vorspiele und dass seine wissenschaftlichen Schriften, die er in seinem Zimmer aufbewahre, von höchster Wichtigkeit seien; eine Wichtigkeit wofür sie sich bereits eingesetzt habe. Sie habe mit seinem einstigen Universitätsprofessor gesprochen, ihr Leben zusammen geplant, sei bereit, mit der erteilten Erlaubnis der Chefärztin, sofort die Koffer zu packen und willig mit ihm für die Verkündigung seiner Entdeckungen zu kämpfen. Möbius gesteht ihr ebenfalls seine Zuneigung, fühlt sich aber gleichzeitig entdeckt und erdrosselt die junge Krankenschwester mit einer Vorhangkordel.
Abermals hält die Polizei Einmarsch, doch nun sind in der Anstalt keine Krankenschwestern mehr tätig, sondern mächtige Pfleger, ehemalige Wettkämpfer, denen kein Gras gewachsen scheint. Der Inspektor fühlt sich nicht mehr unter Druck, weiß er doch, dass die drei Spinner, praktisch eingesperrt, niemanden mehr gefährden können und zieht nach den gesetzlichen Förmlichkeiten von Dannen.
Das Abendessen wird aufgetischt, Newton setzt sich als erster hin und bedient sich, während er Möbius ruhig seine eigene Identität preisgibt. Er heiße in Wirklichkeit Kilton, sei Physiker und zur selben Zeit Geheimagent aus dem Westen, der sich extra einliefern ließ, um Möbius und seine Entdeckungen für sein Land zu gewinnen. Auch er habe seine in ihn verliebte Krankenschwester Dorothea umbringen müssen, da sie bedauerlicherweise hinter seine Geheimidentität gekommen sei. Im gleichen Moment tritt Einstein aus seinem Zimmer, gesellt sich zu den beiden, erklärt auch er sei ein Geheimagent namens Eisler, freilich für den anderen Block tätig, und gesteht aus denselben Gründen seine geliebte Schwester Irene ins Jenseits befördert zu haben. Auch Möbius setzt sich nun an den Tisch und verdeutlicht den Kollegen das gewaltige Ausmaß seiner Entdeckungen, verheimlicht ihnen aber nicht seine Schriften nach der Ermordung Monikas verbrannt zu haben, damit sie nicht in falsche Hände geraten. Die zwei Geheimagenten hören zuerst entsetzt zu, begreifen aber Möbius’ Standpunkt, dass für ihr gefährliches Wissen das Irrenhaus der sicherste Ort der Welt sei, sprechen gemeinsam einen Toast auf ihre geliebten Krankenschwestern aus und entscheiden sich als Freunde für immer im Irrenhaus zu bleiben.
Die korpulenten Pfleger erscheinen, tischen ab und teilen den drei Patienten die neugetroffenen Sicherheitsvorkehrungen des Sanatoriums mit: verriegelte Ausgänge, eherne Fenstergitter und verschärfte Überwachung sollen für weniger Gefahr sorgen. Die drei Physiker ziehen sich zurück, um kurz danach von der Chefärztin Fräulein Von Zahnd in den Saal beordert zu werden. In Gegenwart ihrer Pfleger, in Wirklichkeit von ihr angeheuerte Privatsicherheitskräfte, spricht sie die staunenden Newton und Einstein mit ihren echten Namen an, erklärt sie habe alle ihre Gespräche abgehört und Möbius’ Dokumente schon längst kopiert, während dieser, von den Arzneimitteln betäubt und unwissend, nichts gemerkt habe. Möbius habe die großartige Botschaft Salomos verkannt, doch er sei ihr wahrhaftig erschienen, um ihr die Macht über die Welt und das Sonnensystem zu geben. Sie habe, dank der Umsetzung einiger Entdeckungen, mit diesem Plan schon längst begonnen und Konzerne aus dem Boden gestampft, der Rest sei nur eine Frage der Zeit. Die drei Physiker bemühen sich umsonst der Chefärztin ihre eigene Verrücktheit vor Augen zu halten, versuchen sie erfolglos zu überwältigen und müssen sich der Übermacht der Privatpolizei geschlagen geben. Als gemeingefährliche Mörder lebenslänglich eingekerkert und auf Schritt und Tritt bewacht, wird diesen drei mental Gesunden diese Geschichte eh niemand glauben, während die echte Irre, Fräulein Mathilde Von Zahnd, in der Welt die Grundlagen für die Apokalypse schafft. –

Seit Prometheus ist die brandgefährliche Fahrlässigkeit mit der die Menschheit mit ihrer Wissenschaft umgeht mehr als ausreichend belegt, und wird sie nicht gezügelt, können die Nachwirkungen der verantwortungslosen Neugierigkeit im weißen Kittel unvorstellbar sein. Dies dürfte die Quintessenz des 1962 Uraufgeführten Dramas darstellen, dessen Gestaltung wohl nicht geringfügig durch den damaligen Zeitgeist des kalten Krieges beeinflusst wurde. Dass Dürrenmatt im Anhang des Werks urteilt: „Ich gehe nicht von einer These, sondern von einer Geschichte aus“, sieht ihm ähnlich und hebt die besagten Weltereignisse hervor, ohne dass er dabei ganz ehrlich ist, enthalten doch die ‚21 Punkte zu den Physikern’ ebenso viele Lehrsätze, die als theoretische Stützpfeiler all seiner Geschichten dienen.
Und dieses Drama ist wahrhaftig eine solche Geschichte, die aus jener Zeit stammt, in der sich Dürrenmatt mit „Chruschtschow und mit Kennedy und […] der Atombombe“ beschäftigte, als der Rüstungswettkampf nahezu den endgültigen Schritt ins versengende Feuer der militärischen Kernfusion beging. Möbius selbst enthüllt Dürrenmatts sozialpolitische Aufmerksamkeit, als er im finalen Gespräch mit seinen Gefährten auf den kriegszeitlichen Hintergrund seines Verhaltens anspielt: „Es gibt Risiken, die man nie eingehen darf: der Untergang der Menschheit ist ein solches. Was die Welt mit den Waffen anrichtet, die sie schon besitzt, wissen wir, was sie mit jenen anrichten würde, die ich ermögliche, können wir uns denken.“ Der Meinungsaustausch der Dreien ist als ganzes eine offenkundige Bekennung, fast schon eine dramaturgisch verschleierte Vorlesung, die den ungleichen Kampf des Wissenschaftlers zwischen isoliertem Verantwortungsbewusstsein und verlockendem Weltruhm im Schatten der jeweiligen Weltmacht veranschaulicht.
Doch Dürrenmatt begnügt sich keineswegs mit der von Möbius vorgeschlagenen Lösung, die zwar den drei Physikern die Freiheit kostet aber die Menschheit rettet, rast im Sturzflug auf den ohnehin grotesken Lauf der Geschichte zu und sprengt das Ende des zweiten Aktes auf seine Art. Denn „Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat.“ Und diese erreicht er auf Kosten der drei Physiker, die im Irrgarten ähnelnden Sanatorium eingesperrt, ihrem Minotaurus in der Gestalt des leitenden Psychiaters begegnen. Vergebens halten sie ihr Schauspiel aufrecht, um im Namen der Menschheit den Verzicht auf unzumutbare Entdeckungen für immer zu besiegeln. „Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall zu treffen“, lautet es im Anhang; ein Zufall der auch ungeachtet der irren Schlauheit Mathilde Von Zahnds früher oder später über andere Wege seinen Lauf genommen hätte. Insbesondere Möbius hatte den Kapitalfehler begangen, seine Entdeckungen niederzuschreiben und sie dementsprechend aus seiner ausschließlichen Kontrolle verloren. „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden“, gesteht er kurz bevor der Vorhang zugeht und anerkennt damit implizit, dass der Einfall nicht einmal im stummen Verließ seines Gehirns gefahrlos aufbewahrt werden könnte. Als handle es sich quasi um eine infizierende Aura, übertrumpft Dürrenmatt sein Begriff des unmöglichen Gedankenstopps, treibt ihn zur äußersten Konsequenz, denn „Jeder Denkprozeß ist wiederholbar“ und garantiert folglich die vom Urheber unabhängige Fortpflanzung gefährlichen Wissens. Ungeachtet des verfügbaren technischen Materials, ist diese Konstante des Menschen der mehr als mögliche Zünder seiner eigenen Auslöschung auf Erden.
Die Wahrscheinlichkeit wissenschaftlicher Klempnerei nimmt in den Händen Unachtsamer sogar exponentiell zu. So dürfte in Dürrenmatts ‚Untergang und neues Leben’, der ultimativen Bombe wegen, niemand außer dem General „auf den Knopf drücken hier auf diesem Tisch“ und trotzdem setzt sich in dessen Abwesenheit ein Unbefugter aus Übermut mit dem Hintern drauf, und „Die Maschine explodiert! Das ist der Untergang!“ Eingehender hätte es Dürrenmatt ein dutzend Jahre später artikuliert: „wehe nur, wenn Fälschungen stattfinden, verbotene Eingriffe in die künstlichen Hirne, doch auch dies weniger peinlich als die Möglichkeit, daß eine Schraube sich lockert, eine Spule in Unordnung gerät, ein Taster falsch reagiert, Weltuntergang aus technischem Kurzschluß, Fehlschaltung. So droht kein Gott mehr, keine Gerechtigkeit, kein Fatum wie in der fünften Symphonie, sondern Verkehrsunfälle, Deichbrüche infolge Fehlkonstruktion, Explosion einer Atombombenfabrik, hervorgerufen durch einen zerstreuten Laboranten, falsch eingestellte Brutmaschinen.“
Wankt im paradoxen Erlebnis der drei Physiker der Wahrscheinlichkeitsgrad noch zwischen vermutbarer Teil- und möglicher Totalvernichtung der Erdbewohner, ist die kosmische Verwüstung im folgenden Drama von der astronomischen Physik bedingt. Zwar konnte ‚Portrait eines Planeten’ den Erfolg des gerade behandelten Kassenschlagers nicht wiederholen, doch für unsere Zwecke veranschaulicht diese Bühnendichtung das Untergangsszenario unseres Planeten aufs Vortrefflichste.

6.3.2 Portrait eines Planeten.
– Es handelt sich gemäß Dürrenmatts eigener Unterbetitelung, um ein Übungsstück für Schauspieler, das aus vierundzwanzig selbstständigen, teils verhältnislosen Szenen besteht. Aus einer unvorstellbaren Ferne gucken in der ersten Szene vier von ihrer Ewigkeit gelangweilte Götter auf das irdische Sonnensystem und diskutieren mit nebensächlichem Interesse über die Stabilität des Sterns. „ADAM Eine Sonne dort geht hops. […] KAIN Ach so. ABEL Wann? ADAM Nächstens. […] HENOCH Sie wird eine Supernova. […]. Sie bricht auseinander, und ihre Materie fegt in den Raum. […] HENOCH Eigentlich ist diese Sonne doch stabil. ABEL Dann wird sie keine Supernova. HENOCH Sie wird aber eine Supernova. ABEL Dann ist sie nicht stabil. HENOCH Ich kenne mich in Sonnen nicht aus. […] Adam sieht noch einmal nach der Milchstraße. ADAM Hops geht sie ohnehin.“
Ab der zweiten bis zur dreiundzwanzigsten Szene folgen Kurze Geschichten Alltäglichen Elends, die im Vordergrund des allgegenwärtigen Vietnamkrieges spielen. Sei es die von einer internationalen Hilfsorganisation bewerkstelligte Bekehrung der Essgewohnheiten eines Kannibalenstammes, die unmögliche Liebesbeziehung Jugendlicher verschiedener Rassen, die Trostlosigkeit der Drogenszene oder das Scheitern eines Rückfluges vom Mond, alles verläuft in der Unbedeutsamkeit eines kleinen Planeten. Auffallen tut er in seinem Sonnensystem kaum, letzteres in der entsprechenden Milchstraße noch weniger und diese in den unendlichen Weiten des Weltraumes sowieso nicht. Bloß das Eintreten der göttlichen Prophezeiung vermag die resignierten Menschen in den Ausnahmezustand zu versetzen, und ab der neunzehnten Szene bemerken die Erdenbewohner die außergewöhnliche Sonnenaktivität. Einer nach dem anderen brechen immer gewaltigere Orkane aus, die nicht einmal von der größten Weltmacht mit all ihrer Technologie aufgehalten werden können. Das Wetter spielt verrückt, Tropenhitze und Überschwemmungen kosten ein Drittel der Menschheit das Leben, bis der letzte gewaltige Schub alles verödet. Die verstreuten Götter nehmen in der vierundzwanzigsten und letzten Szene das Erlischen der Sonne gerade noch wahr, bevor sie im All planlos weiterziehen. „ADAM Hops ging sie ohnehin. Adam verschwindet wie die drei anderen.“ –

Dürrenmatt meint es mit der Supernova oder, im Falle unseres Planeten, mit dem roten Riesen durchaus ernst, war er ja Zeit Lebens leidenschaftlicher Astronom. Bereits in der bündigen Autobiographie aus dem Jahre 1957 spricht er von seiner frühen Begeisterung für die Sternenkunde: „Über den Wäldern stehen die Sterne. Ich machte mit ihnen früh Bekanntschaft, zeichnete ihre Konstellationen: den unbeweglichen Polarstern, den kleinen und den großen Bären mit dem geringelten Drachen zwischen ihnen, ich lernte die helle Wega kennen, den funkelnden Atair, den nahen Sirius, die ferne Deneb, die Riesensonne Aldebaran, die noch gewaltigeren Beteigeuze und Antares, ich wußte daß das Dorf zur Erde und die Erde zum Sonnensystem gehöre, daß die Sonne mit ihren Planeten sich um das Zentrum der Milchstraße bewege Richtung Herkules, und ich vernahm, daß der gerade noch von bloßem Auge erkennbare Andromedanebel eine Milchstraße sei wie die unsrige.“
In seinem Arbeitszimmer in Neuchatel stand sein Teleskop nicht als Staubfänger herum und einem Besuch bei der weitaus größeren Sternwarte auf dem kalifornischen Mount Palomar konnte er auch nicht widerstehen. Bestimmt war seine wissenschaftliche Erkenntnis um die Zukunft unseres blauen Himmelskörper mehr als hinreichend, um zu wissen, „dass sich die Andromeda-Galaxie und die Milchstraße annähern“ und „dass Andromeda mit der Milchstraße verschmelzen“ wird. Gewiss dürften uns bis dahin satte vier Milliarden Jahre fehlen, was mehr oder weniger der Lebensdauer unserer Sonne entspricht. Sollte aber diese den Brennstoff vor unserem galaktischen Rendez-vous aufgebraucht haben, wird ihre progressive Ausdehnung Andromeda zuvorkommen und unsere Erde einäschern. Handeln wird es sich dabei um eine Weltallapokalypse, woraus es kein Entrinnen gibt, welche das kosmologische Siegel aller Überlegungen Dürrenmatts darstellt und dessen auf Hochglanz polierten, literarischen Nihilismus in der Unangreifbarkeit des Unwiderruflichen verschanzt.

6.4 Nihilismus ohne Hoffnung?
Für die Kategorie der menschlichen Gesellschaft stehen die Chancen bestimmt nicht allzu gut. Ihr Gebären und Sterben gleicht dem Atmen der Zivilisation, die Mit geerbten Fragmenten sich fortwährend ersetzender Altersgruppen, ihrer Daseinsberechtigung weiteren Aufschub zu verschaffen sucht, bis ein zyklischer Einsturz ihr Weltbild doch noch verändert. Dürrenmatt beschäftigte dieser Gedanke bestimmt nicht nur als Ausgangspunkt seiner fiktionalen Entwürfe, wies er doch in offenen Gesprächen mehrmals auf den Ernst der Lage hin. 1950 meinte er etwa: „Die Art, wie man auf beiden Seiten mit einem dritten Weltkrieg spielt, lässt sich […] mit nichts mehr entschuldigen“ und weiter „Zum Schluss droht immer der Untergang der Menschheit. Nicht mehr eine bloße Hypothese, technisch ist er möglich geworden. Für uns die schlimmste Wendung, aber für das Leben und für diesen Planeten die vielleicht beste.“ Eine Wendung, die seit Oppenheimers Manhattan-Projekt „alles auf eine Frage der Zeit reduziert – der Zeit, die uns noch bleibt.“ 1980 fügte er schließlich hinzu: „Ich weiß doch nicht, ob unsere Kultur überhaupt weitergeht. Der Gedanke, über den eigenen Tod hinauszuschreiben, ist für mich genauso abstrus …“
Dürrenmatt ist zu erfahren, um nicht zu wissen, dass die Vorstellung eines gesicherten Vorhandenseins unserer menschlichen Natur entgegenkommt, aber dass die Ruhe uns bloß aus chronologischen Gründen barmherzig gestimmt ist. Des Menschen Angewohnheit die innere und äußere Welt heiter einzuordnen, beruht nämlich auf seiner in Dekaden begrenzten Lebensfrist. Das Geschichtswerk zählt dagegen im Jahrhundert- und Jahrtausendtakt, der Kosmos fängt erst bei Jahrmillionen an zu zählen; Größenmaße außerhalb menschlicher Reichweite. In Wirklichkeit, beginnt demzufolge eines jeden Ansicht des Universums und aller darin befindlichen Kategorien mit der eigenen Geburt und endet mit dem eigenen Tod. Ob man in dieser Zeitspanne Zeugen einer weltgeschichtlichen oder astronomischen Umwälzung sein wird, ist statistisch nur plausibel; sicher dagegen das epochale Ende der eigenen Gegenwart. Sähe man dennoch vom individuellen Los ab, könnte das Aussterben unserer Gattung irgendwann beschlossene Sache sein, geschehe es durch eine von uns eigenhändig ausgelösten Kettenreaktion oder durch eine Entladung der Gestirne.
Bloß fiktionale Übertreibungen eines Schriftstellers, der „immer wieder Allotria treibt und dann, halb drohend und halb lachend, behauptet, es sei Philosophie, wenn nicht gar Theologie“? Möglich. Wenngleich die Nachweise in seinem Werk, die wir in diesem Kapitel nur in kleinster Auswahl erforscht haben, dermaßen zahlreich sind, dass man sie nicht einfach als legere Gedankenspekulation eines Fantasten kaschieren kann. Die Ästhetik seiner Untergangsvisionen mag noch so auf der Tatsache beruhen, dass „sein Vater Pfarrer gewesen und […] viel die Bibel gelesen“ hat, dennoch bestätigt Ruth Dürrenmatt fast im selben Atemzug, ihr Vater sei „ein Pessimist“ gewesen. Eine biographische Mindestleistung, möchte ich behaupten, für einen Schriftsteller, der uns in dieser Abhandlung mit strukturierter Schwarzseherei in Dramen und Prosa regelrecht überflutet hat.
Egal wie viel oder wie wenig von Friedrich Dürrenmatts Empfindungen in seinen Geschichten stecken mag, wird die in seinen Werken überaus relative Einschätzung aller sozialpolitischen Ansprüche gewünschter Weltordnungen eindeutiger denn je: „es nützt nichts, den idealen Menschen und die ideale Gesellschaftsordnung ins Zukünftige, Utopische zu versetzen und die jetzige Menschheit auf dem Weg dorthin anzunehmen.“ Somit ist für Dürrenmatt, der sich nicht als Therapeut, sondern als Diagnostiker des Weltgeschehens verstand, jeder Versuch aussichtslos, das System im Sinne des didaktischen Theaters Brechts steuern zu wollen. Denn von der Bühne lässt sich die Gesellschaft „Beunruhigen im besten, beeinflussen im seltensten Falle, verändern nie.“ Wenn nun aus der ätzenden Sicht des Schweizers „politische Systeme als provisorische Modelle verstanden werden anstatt als Heil lehren, verlieren sie tatsächlich ihren emotionalen Gehalt“, streifen ihre furchteinflößende Amtstracht ab, und verwandeln sich in eine rein Vernunftbedingte Verwaltung, um „das demokratisch Erspielbare, […] eine weitestgehend individuell differenzierende Gerechtigkeit“ zu ermöglichen. Eine Administration, deren Systeme und Strukturen uns zwar wie ein undurchdringliches Netzwerk umgeben, welches das Zusammenhalten der Masse im Namen des gerade vorhandenen Gesellschaftsmusters ermöglicht, doch mit Abtrünnigen innerhalb des gepferchten Kollektivs rechnet. Und auf diese allein zählt Dürrenmatt als Hoffnungsträger: „Einzelgänger, Außenseiter und Käuze […] als die letzten und ersten Zugvögel einer doch noch möglichen Freiheit.“
Eine mögliche Freiheit von der unser Autor überzeugt predigt, man beachte, nicht als ideologisch unfehlbaren Siegeszug eines schon im voraus verlorenen Krieges, sondern als Genugtuung der individuell gewonnenen Schlacht. Geht der Einzelne im Kampf um die eigene Existenz siegreich hervor, hat er seine Bataille erfolgreich bestritten und aus seiner alles bedeutenden Perspektive, so paradox es auch erscheinen mag, dem Weltgeschichtlichen Tumult getrotzt und der Raumzeit das letzte Wort abgestritten.
Wie sich Dürrenmatt diesen Kampf faktisch vorstellt, veranschaulicht Sören Kierkegaards Denkspruch: „Was mir eigentlich fehlt, ist, ins reine mit mir selbst zu kommen darüber, was ich tun soll, nicht was ich erkennen soll.“ Auf diese Vorlage erbaut der Schweizer das Fundament der individuellen Hoffnung und weist unbeirrt den Weg dahin.

6.5 Die Hoffnung des Einzelnen.
Als Widerspruch darf diese Hoffnung durchaus nicht betrachtet werden, verlangt sie doch unser Unterscheidungsvermögen des Kontrastes wegen; ansonsten wäre der Nihilismus selbst nicht wahrnehmbar, wie Licht ohne Dunkelheit, wie Leben ohne Tod. Sie freilich als kontemplativer Zukunftsglaube zu verstehen, käme einer selbstbefriedigenden Erkenntnis gleich, die Dürrenmatt, in Anlehnung an Kierkegaards Worte, mit der strikten Aussage berichtigt: „Moral ist das Verwirklichen dieser Erkenntnis.“
Dass dies nur durch den persönlichen Einsatz eines jeden, durch sein beherztes Handeln geschehen kann, veranschaulicht der Schriftsteller, indem er die gegenteilige, die passive Haltung anprangert: „Darin, dass viele der heutigen Zuschauer in meinen Stücken nichts als Nihilismus sehen, spiegelt sich nur ihr eigener Nihilismus wieder. Sie haben keine andere Deutungsmöglichkeit.“ Folgerichtig expliziert Dürrenmatt der einzig mögliche Pfad, der zu gehen er seine Mitmenschen auffordert: „Die Chance liegt allein noch beim Einzelnen. Der Einzelne hat die Welt zu bestehen. Von ihm aus ist alles wieder zu gewinnen.” Ein unfaires Stärkeverhältnis könnte man meinen, das aber aus Dürrenmatts ungestülpter Optik die Gewissheit ergibt, „dass auf den Menschen, dessen Kreativität, Erfindungskraft und seine Fähigkeit zu lieben, gesetzt werden muss.“ Ließe jeder Vereinzelte den Kopf nicht hängen und versuchte er die unübersichtlichen Strategien der zeitgenössischen Gesellschaft seinem eigenen Lebensraum tapfer anzupassen, ergäbe dies eine tugendhafte Gegenreaktion, die möglicherweise auf die „Hoffnung, uns am eigenen Schopfe aus dem Untergang zu ziehen“ rechnen könnte.
Nur zu hoch dürfen die Kämpfenden ihre Ziele nicht setzen. Wenn dem so wäre, würden sie nie wiederkehrende Zeit verschwenden und „Ihr Kampf gegen die von ihnen frei gewählten Windmühlen […] daher wie bei allen anderen Narren schon bei seiner Aufnahme zum Scheitern“ verurteilen. Sich auf Dürrenmatts ‚Herkules und der Stall des Augias’ stützend, veranschaulicht Martin Tegelkamp den Fortschritt voraussichtlich siegreicher Kämpfer: „So gelingt es ihnen, dem ungerechten Mist einen Garten der Gerechtigkeit abzuringen. Freilich ist dieser Platz an der Sonne von Mist umringt, freilich belastet der Gestank des Drecks auch jeden Atemzug im Garten der Gerechtigkeit, freilich ist die Gerechtigkeit hier also nicht ohne Schatten. Das nach der Gerechtigkeit dürstende Individuum kann sich auf dem hart erkämpften Fleck besserer Welt jedoch immer wieder mit klarem Wasser befriedigen und für seinen weiter andauernden Kampf stärken.“ Tegelkamp peilt hier zwar die Gerechtigkeit an, doch die breitgefächerten Werte vorpolitischer und vorreligiöser Natur dürften zweifelsohne Komponente dieses allumfassenden Urprinzips sein.
Dass eines jeden Schlacht gleich ehrenhaft und mit jeweils entsprechender Rüstung aufzunehmen ist, beweist Dürrenmatt mit seinem auserwählten Degen, dem Kugelschreiber: „vom Großvater her weiß ich, daß Schreiben eine Form des Kämpfens sein kann“, womit er sich mittels seiner Kunst der Aufforderung des Lebens breitbeinig gestellt hat. Aber zu glauben, dass der Schriftsteller nie entkräftet straucheln kann, wäre naiv und entzöge ihm die anspornende Menschlichkeit mit all ihren Gegensätzlichkeiten. Dürrenmatts Tochter Ruth hält fest: „Er hat auch sehr viele Komplexe gehabt und er ist ein sehr depressiver Mensch gewesen. Aber der Unterschied zwischen ihm und vielen anderen, wenn ich eine Depression habe, du, dann bin ich gelähmt, oder, das lähmt mich, Und die meisten Leute sind gelähmt. Aber der, wenn der eine Depression gehabt hat , dann hat er um so härter gearbeitet, weißt du? Er hat sich richtig durchgebissen.“ Zeiten des Mangels, die der Schriftsteller mit Beharrlichkeit und einer bekömmlichen Ladung an Selbstironie zu bewältigen in der Lage war: „Eines Tages hat er mir erzählt, also so in offenen Momenten, oder manchmal so am Telefon, hat er mir erzählt: ‚Ja, weißt du Rütli, gestern Abend, habe ich Wein getrunken, … ja, ich bin besoffen gewesen, aber ich habe geschrieben, die ganze Nacht. Und ich hatte das Gefühl, ich hätte so eine schöpferische, ich habe mich so toll gefühlt. […] Aber am nächsten Tag, hab ich das gelesen, ich sag dir, das ist ein Seich gewesen.’“
Und sollte im unaufhörlichen Feldzug das ersehnte Ziel eines errungenen Sieges doch nicht gelingen? Dann hätte sich der Einsatz trotzdem gelohnt, denn „Unser Kampf war ein guter Kampf, aber unser Unterliegen war ein noch besseres Unterliegen. Nichts ist verloren von dem, was wir taten. Immer aufs neue wird der Kampf aufgenommen immer wieder, irgendwo, von irgendwem und zu jeder Stunde.“ Denn allein wie und wofür man gelebt hat, entscheidet über Sieg oder Niederlage. Bloß die eigene verantwortungsvolle und zielstrebige Haltung ist maßgebend, nicht die Anerkennung von außen. Das gewissenhafte Streben danach und nicht Das gewisse Erreichen des Resultats unentbehrlich.

6.6 Rasten und dennoch die Segel nicht streichen.
Der Sog der abgründigen Zivilisation ist übermächtig und unter ihrer immensen Dunkelheit das flackernde Herz des einzelnen Menschen zu bewahren, zerrt in diesem rastlosen Feldzug an Leib und Seele. Vor dem bevorstehenden Sturm gelegentlich Kraft zu schöpfen, ist daher für alle lebenswichtig und dennoch tut es jedermann ganz alleine. Im Unterschlupf des eigenen Tabernakels sucht unsereiner Augenblicke der Erholung, wie es auch der Maestro Friedrich Dürrenmatt tat: „Ich bin an wenigen Orten daheim / Im Haus über dem See / Auf der andern Seite des Monds / Auf der Bühne des Schauspielhauses / Umstellt von Kulissen / Und in der Kronenhalle.“ Keinerlei Huldigung der Askese Schopenhauers also, bloß ein Poet, der die Wärme alltäglicher Gesten und Schmackhaftigkeiten zu schätzen wusste. In der zürcher Kronenhalle vor einer dampfenden Schüssel „Leberknödelsuppe“, zu Hause in Neuenburg mit seinen Geliebten, wo „er seine berühmten Bouillons, die nur er hat machen können, weißt du, mit Käse und Zwiebeln und Ei darin“ gekocht hat oder wo immer es ihn im Leben auch verschlagen hatte, verheimlichte er niemals „ein philosophischer Weintrinker und todesbewusster Lebensgenießer“ zu sein. Leidenschaftliche Züge, die er mit viel Liebe zum Detail in seinen Romanen und Dramen verewigt hat, in einer Verherrlichung der Gastronomie, di ihren Höhepunkt im sinnlichen Psalm vom guten Essen erreicht.
Und genau in seiner Schriftstellerei findet Dürrenmatt eine weitere Quelle, um den dürstenden Krieger zu stillen, der in ihm steckt. „Der poetische Mensch schöpft, produziert, stellt her und findet seinen Lebenssinn sowohl im Genuss des Prozesses als auch des Ziels, der Fertigstellung seines Kunstwerks…“ Eine adäquate Feststellung, die für Dürrenmatts Bekannten, wie Peter Nobel, wohl nie als Geheimnis gegolten haben dürfte. „Wenn er dann angefangen hat zu reden, dann hat er angefangen eine Dynamik zu entwickeln und dann hat er stundenlang erzählen können und hat selbst den größten Spaß daran gehabt. Das ist eigentlich auch wenn er körperlich nicht so gut in Form mehr gewesen ist, … sein Kopf ist wie eine Glühbirne gewesen, die Geschichten produziert hat, wie ein Vulkan, wo alle fasziniert danebengesessen sind und zugehört haben. Ich glaube, der größte Spaß an seinen Geschichten, hat immer er selber gehabt. Er hat auch immer gelacht dazu. Er hat eigentlich mit seinem Werk zu einem schönen Teil sich selbst unterhalten. Es ist wahr … er ist kein Missionar gewesen, überhaupt nicht, überhaupt nicht. Nein, ich glaube die Komponente der Selbstunterhaltung, an der andere teilnehmen konnten, das ist eine ganz wichtige Komponente gewesen von ihm.“ Gedanken und Worte wie Speise und Trank, gleichermaßen ernährend und sinnlich wie das tägliche Brot. Gesegneter Proviant zur Stärkung von Leib und Seele eines Kämpfers, der rastet ohne die Segel zu streichen, der guten Mutes aufbricht, um sich gegen den Sturm aufs Neue zu behaupten, seine Schlacht erfolgreich zu kämpfen und seine Menschlichkeit doch noch bis ans Ende zu bewahren.

7 Epilog

Einleitend gestand ich, dass die Erstellung der vorliegenden These zwar ein höheres Verständnisniveau ermöglichen könnte, aber gleichzeitig ein kühner Schritt ins Niemandsland bedeuten würde. Ein vorsichtiges Angehen war demzufolge aus Forschungsgründen unumgehbar, da sich Studien über Dürrenmatt und sein Nachlass bislang selten mit dem weitreichenden Begriff des Nihilismus auseinandergesetzt haben. Und doch scheint es geglückt die nötigen Beweise wie ein roter Faden aneinanderzureihen, um seine Spuren, mit unterschiedlicher Intensität aber konstant, durch das ganze Lebenswerk des Schriftstellers zu verfolgen. Denn Dürrenmatt hat seine Gesamtproduktion mehrmals überholt, teilweise abgeändert und neugefasst, ohne die evidenten Spuren seiner apokalyptischen Visionen auf allen Ebenen, seiner Warnung vor der Barbarei der Zivilisation und seiner dumpfen Einsamkeit des Vereinzelten je geleugnet zu haben.
Insgesamt also ein Nihilist? Zu dieser kategorischen Benennung reichen die Fakten sicher nicht aus. Und nicht bloß weil Dürrenmatt, mit einer gewissen Koketterie selbstverständlich, jegliche pauschale Einstufung seiner Kunst verweigerte. Viel mehr hängt diese begriffliche Relativierung von der Erkenntnis ab, dass es sich bei seinem Nihilismus „eher um eine Schattierung als um einen thematischen Farbton handelt“ und dass er „mehr gefühlt als erklärt, mehr erzählt als doziert“ wird. Aber Intention dieser These war es, lediglich nihilistische Züge aufzustöbern, was sowohl mit der Untersuchung der analytischen Schwerpunkte des vierten Kapitels wie mit der tiefgründigeren Erforschung der ausgewählten Werke des sechsten zur Genüge gelungen sein dürfte. Nihilismus als gemäßigte und dennoch erforderliche Ingredienz also, die zur Abschmeckung der Dürrenmattschen Kunstrezeptur dient, in der Expressionismus und Existentialismus zweifelsohne die dominanten Zutaten darstellen. Dabei verkrallen sich alle drei Philosophie- und Kunstrichtungen in Dürrenmatts Gesamtwerk so unzertrennlich ineinander, dass sie in ein einziges Element zusammenzuwachsen scheinen. Eine Farbmischscheibe auf der die nihilistische Tinte die anderen gewiss nicht überwiegen kann, jedoch von diesen nicht vollständig bedeckt wird und ein erforderlicher Grundstoff der Mixtur für Dürrenmatts Weltgemälde darstellt. Und siehe da, mit einer Generation Verspätung reifte Dürrenmatt eine Art artistische Dreieinigkeit aus, deren Farbenpracht seine bewunderten Vorbilder des osmotischen Avantgardismus im fieberhaften Schmelztiegel der damaligen Jahrhundertwende bereits mehr als erfolgreich angewandt hatten.
Für seinen Teil schien Friedrich Dürrenmatt mit der rücksichtslosen Frechheit eines Kindes den Finger in die Wunden einer Gesellschaft zu legen, der er sich ausgesetzt fühlte und aus der er klug werden musste. Denn „die Welt da draußen ist ungewiß […] eine unbegreifliche Gnade oder auch ein böser Fluch“, bemerkte er zynisch, fast sich revanchierend, für die unbeantwortete Frage „wozu und auf wessen Befehl“ sein Dasein ohne Stimmberechtigung seinerseits entschieden wurde. Und so nahm er sich entschädigend das Recht alles menschlich Seiende zu sezieren und besessen „dem Kosmos seine Sinnlosigkeit so lange nachzuweisen, bis der verlorene Gott mittendrin als letzte Supernova explodieren würde.“ Unterm Strich ist es dem Maestro nie darum gegangen soziale Entropie und kollektive Selbstzerstörung heraufzubeschwören. Bloß deren undiskutierbare Beweisbarkeit und die sinnlose Raserei um eine dogmatische Zivilisationsverewigung sind dem Pfarrerssohn aus Konolfingen am Herzen gelegen. Dabei erhob er seinen warnenden Zeigefinger gegen das vom Menschen abhängige Schicksal, indem er den teils apokalyptischen Nihilismus als formidables Kontrastmittel handhabte, um die Geschwülste des Weltsystems zu diagnostizieren und sich gegen deren Schrecklichen Wucherungen im Voraus zu wappnen. Dass er sich ebenso um die astronomische Entwicklung kümmerte, die er diskret und dennoch überzeugt als nicht in seiner Macht liegenden Zerstörungsgewissheit betrachtete, steigert die Wesentlichkeit der nihilistischen Komponente seiner Schöpferkraft, im Extremfall bis zur äußersten Konsequenz.
In beiden Fällen ein vorgeschlagener Weg der tiefgründigen Erkenntnissuche, der allein für den Einzelnen in seiner sinnvollen und voraussichtlich siegreichen Vergänglichkeit vorgesehen ist. Der eigene Grund und Boden, auf dem der Kämpfer Dürrenmatt sich der Welt entgegenstellte um sich zu bestätigen, sich von ihr distanzierte um zu sich zurückzufinden, sich in sein Labyrinth einschloss um sie auszuschließen. Das Spiegelkabinett endlich, wo der ganze Umfang der Einsamkeit Dürrenmatts zugegen ist, wie das Vorwort seines Spätwerks ‚Der Auftrag’ verratet: „Was wird kommen? Was wird die Zukunft bringen? Ich weiß es nicht, ich ahne nichts. Wenn eine Spinne von einem festen Punkt sich in ihre Konsequenzen hinabstürzt, so Sieht sie stets einen leeren Raum vor sich, in dem sie nirgends Fuß fassen kann, wie sehr sie auch zappelt. So geht es mir; vor mir stets ein leerer Raum; was mich vorwärtstreibt, ist eine Konsequenz, die hinter mir liegt. Dieses Leben ist verkehrt und grauenhaft, nicht auszuhalten.“
Leere und Einsamkeit, zwei Schatten derselben Person. Womöglich Friedrich Dürrenmatts Eingeständnis auf sein geistiges Testament, „Nur das Nichtige hat Bestand“, womit wir am Ende förmlich und inhaltlich den Kreis des nihilistischen Dichters frühster Zeiten doch noch geschlossen haben dürften.

8 Interviews mit Peter Nobel und Ruth Dürrenmatt

Bei der filtrierten hochdeutschen Transkription der aufgenommenen Interviews wurde auf bestmögliche Treue der semantischen Ebene geachtet und bewusst auf die Korrektur von der vom Standarddeutschen teils stark abschweifenden Syntax der Quellsprache verzichtet, sofern sich die Möglichkeit ergab. Des Weiteren sind phonologische, morphologische und lexikalische Eigenschaften der Quellsprache, dem in der Schweiz geborenen und aufgewachsenen Übersetzer wohl bekannt und bei der Erstellung der Arbeit wurde auf ihre klare Deutung, Im Hinblick auf die für den des Schweizerdeutschen nicht Mächtigen Lesers gepflegte Übersetzung, nach bestem Wissen und Gewissen höchste Rücksicht genommen.
Wegen der oben genannten Anstrengung eine eins zu eins Übersetzung zu gewährleisten, wird in der deutschen Fassung die beinah gänzliche Abwesenheit des Präteritums auffallend sein, welches in der ohnehin kargen schweizerdeutschen Auswahl an Modi und Tempi der Zeitwörter stets durch das Perfekt ersetzt wird. Dementsprechend entfällt die gewiss lockerere Lesbarkeit und sprachliche Präzision einer Anpassung, doch wird gleichzeitig die unformelle und kommunikative Frische eines mündlichen Dialogs bewahrt.
Die Auslassungen betreffen entweder für die zielstrebige Arbeit belangloses Gespräch oder nicht zur Veröffentlichung gedachten Gedankenaustausch.

8.1 Gespräch mit Peter Nobel.
Transkription des Interviews mit Peter Nobel. Stattgefunden am 13. Februar 2014.

Massimo Trento: Abgesehen von dem, was man in den Büchern und Kritiken über Friedrich Dürrenmatt lesen kann, wie haben Sie persönlich im Gespräch mit Friedrich, seine Einstellung zur Gerechtigkeit im Gegensatz zum Gesetz eingeschätzt? Wie haben Sie sie empfunden, Herr Nobel?
Peter Nobel: Ja, wenn ich vielleicht auch darf etwas vorschicken … es gibt ein Buch, dass wir mal zurückliegend unterstützt haben, von dem Martin Tegelkamp. Ich weiß nicht ob Sie schon von dem gehört haben. Also, das ist ‚Recht und Literatur’, Martin W. J. Tegelkamp, ‚Recht und Gerechtigkeit in Dürrenmatts Dramen und Prosa’. Ja, ich denke, dass wäre eben gut, wenn Sie das mal würden anschauen. Also jetzt zurück zu Ihrer Frage … Ich glaube, dass er nicht so an eine Gerechtigkeit geglaubt hat, an eine letzt stimmige. Er hat das alles ziemlich, also das ist meine Auffassung, relativ angeschaut, Menschengemacht. Ich habe gerade das buch von Tegelkamp vor mir, und da gibt’s so ein Zitat: „Es gibt keinen fürchterlicheren Glauben als den, im Recht zu sein.“ Diese menschliche Gerechtigkeit ist zufällig hergestellt worden und dem Zufall zum Opfer gefallen, oder? Wie auch da im ‚Das Versprechen’, dort wo der Autoumfall gewesen ist und so, wo es eigentlich die erste richtige Spur gewesen ist, dann ist denn alles so ein wenig im Unbestimmten geblieben, oder? Auch in der „Panne“, da ist ja eigentlich … die Idee ist, dass es wahrscheinlich Missetaten gibt, die eigentlich nicht justiziabel sind, aber der, der sie begangen hat, der durchschaut das und erhängt sich, und die anderen sagen: „Er hat uns den schönsten Herrenabend kaputt gemacht“, oder?
Massimo Trento: Herr Nobel, genau diesbezüglich, wäre es noch interessant zu wissen, Ihrer Meinung nach natürlich, in welchem Buch von Friedrich Dürrenmatt ist das Thema am besten behandelt? Also, wo reflektiert sich Dürrenmatts Einstellung zur Gerechtigkeit in den Büchern am meisten, in welchem Buch?
Peter Nobel: ja, ich glaub schon in dem ‚Monstervortrag über Recht und Gerechtigkeit’ , den er in Deutschland gehalten hat. Das ist irgendwie auch für Juristen relativ zugänglich, oder? Ich glaube dort hat er sich am deutlichsten geäußert, zum Thema direkt. Aber es kommt immer wieder, es kommt immer wieder.
Massimo Trento: Glauben Sie, dass Dürrenmatts religiöse oder politische Betrachtungen auch auf das Thema Einfluss genommen haben, oder nicht?
Peter Nobel: Ja, ich glaube schon. Ich meine, er ist religionsmäßig ein, ich glaube, ich weiß nicht, ein Atheist kann man, glaube ich, nicht sagen, weil es immer irgendwie eine Macht im Hintergrund gegeben hat. Aber vielleicht ein Agnostiker, denn da hat er auch viel dem naturwissenschaftlichen Zufall überlassen, und so. Ja, ich glaube, dass da eine wesentliche Komponente ist, dass er auch keine letzte inhaltliche Instanz anerkannt hat, aber dass es, ich denke, immer stark um die Frage gekreist ist: Woher kommt das? Wie ist das entstanden? Er hat sich auch sehr um naturwissenschaftliche Prozesse gekümmert und so. Aber ich glaube, dass sich diese Offenheit danach auch in der Relativität zur Gerechtigkeit widerspiegelt.
Massimo Trento: Herr Nobel, was hat Dürrenmatt am meisten gestört, im Gesetz im allgemeinen? Was hat ihn, ich würde es einmal salopp sagen, was hat ihn auf die Palme gebracht, wenn er an die menschliche Gerechtigkeit gedacht hat? Also an die Gesetzgebung zum Beispiel. Hat es irgendwas gegeben, das er wirklich nicht hat ertragen können?
Peter Nobel: ja, ich glaube eben diese Rechthaberei, oder so … apodiktische Stellungsnahmen. Ich glaube, seine Welt ist eigentlich eine Welt von großer Offenheit gewesen. Also ich meine, er hat auch mit Parlamentarier und über die Schweiz und so. Er hat irgendwie, … ich glaube alle Ideologie ist ihm zuwider gewesen. Ich glaube, das kann man schon sagen. Alle, die irgendwie das Gefühl gehabt haben, es ginge von unverrückbaren Tatsachen aus, und es sei so für jetzt und für Immer und so. Das war ihm Höchst verdächtig.
Massimo Trento: war das sehr auf die Schweiz bezogen, oder auch international, Im Allgemeinen?
Peter Nobel: ich glaube Im Allgemeinen. Ja, ja , auch mit Judentum und Moslems und so, und der Schweiz. Sicher … . Im Allgemeinen stimmt das auch.
Massimo Trento: also wenn Sie von Judentum reden, kommt mir ja ‚Der Verdacht’ in den Sinn.
Peter Nobel: ja, aber er hat natürlich auch einen spezifischen Vortrag gemacht, oder ein Essay über das.
Massimo Trento: Und was hat er denn gedacht über das Thema? Sie haben von Judentum geredet, in welchem Sinn?
Peter Nobel: ja, dass er irgendwie die Politik zwischen Israel und Arabern, … ich würde mal sagen, als aufgebauschten Gegensatz angeschaut hat, den man auch überbrücken könnte. Ich glaube, er hat eigentlich alle Gegensätze oder ideologische Gegensätze als überbrückbar angeschaut.
Massimo Trento: also wäre er ein Optimist gewesen in dem Fall? Hätte er gemeint, dass so eine Friedensbeziehung zwischen Israel und Palästina hätte etabliert werden können, oder nicht?
Peter Nobel: ja, ich glaube schon, ja. Ja, ich glaube, dass er das gedacht hat, ja.
Massimo Trento: aber er beschuldigt natürlich eben die juristische und politische Gemeinschaft, dass das nicht geklappt hat?
Peter Nobel: Von den Politikern hat er überhaupt nichts gehalten.
Massimo Trento: Gar nichts? Also, weder rechts noch links?
Peter Nobel: Nein, also von den Politikern hat er gar nichts gehalten. … von der offiziellen Politik am politischen System, von dem hat er nichts gehalten. Die hat er als eine Bande von unnützen Rechthabern empfunden. Ich sag das jetzt einfach so, oder. … so offen hat er es nie gesagt, aber den Eindruck hab ich schon, den hab ich schon gewonnen.
Massimo Trento: Doktor Nobel, ich habe noch eine letzte Frage. Bertolt Brecht hat einmal gesagt: „Nach uns wird kommen, nichts Nennenswertes.“ Ist Dürrenmatt gleicher Meinung gewesen?
Peter Nobel: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, dürrenmatt hat wohl die Welt als kontinuierlichen, von naturwissenschaftlichen Kräften geregelten Prozess angeschaut. Ich glaube nicht, dass er irgendwie sich als Säule, als weltgeschichtliche Säule, hinter der es kein non plus ultra mehr gibt, dass er sich so sieht. Ich glaube, das ist ihm fern gelegen. Er hat das Leben, als, irgendwie, als wandelbare und sich in Entwicklung befindliche Großinspirierung angeschaut.
Massimo Trento: hat er in ein Jenseits geglaubt, Ihrer Meinung nach, Herr Doktor Nobel?
Peter Nobel: Das hat er immer, hat er immer bestritten. Also diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Also ich bin eher dafür zu sagen, Nein, aber letztlich kann ich Ihnen keine Antwort geben, was da seine geheime Gedanken gewesen sind.
Massimo Trento: Zum Abschluss, geben Sie mir ein kleines Portrait, ein persönliches. Können Sie mir sagen, in ein paar Worte, wie Sie Dürrenmatt empfunden haben? Was ist er für ein Mensch gewesen, für Sie?
Peter Nobel: Dürrenmatt ist, er ist ein eigentlich … im ersten Zugang, ist er ein unzugänglicher, verschlossener, ja auch unnahbarer Mensch gewesen. Bis man irgendwie Glück oder eine Chance gehabt hat, näher an ihn ranzukommen, und nachher ist er eigentlich wie ein sprudelnder Quell gewesen. Er hat manchmal längere Anlaufphasen gebraucht, bevor er angefangen hat zu reden, aber wenn er dann angefangen hat zu reden, und das hat Immer geheißen Geschichten spinnen, er hat nie sich an Banalitäten aufgehalten, also irgendwie, morgen muss der Handwerker kommen, heute kochen wir folgendes und dann müssen wir noch einkaufen gehen und so. Solche Banalitäten, über solches Zeug hat er überhaupt nie gesprochen. Wenn er dann angefangen hat zu reden, dann hat er angefangen eine Dynamik zu entwickeln und dann hat er stundenlang erzählen können und hat selbst den größten Spaß daran gehabt. Das ist eigentlich auch wenn er körperlich nicht so gut in Form mehr gewesen ist, … sein Kopf ist wie eine Glühbirne gewesen, die Geschichten produziert hat, wie ein Vulkan, wo alle fasziniert danebengesessen sind und zugehört haben. Ich glaube, der größte Spaß an seinen Geschichten, hat immer er selber gehabt. Er hat auch immer gelacht dazu. Er hat eigentlich mit seinem Werk zu einem schönen Teil sich selbst unterhalten. Es ist wahr … er ist kein Missionar gewesen, überhaupt nicht, überhaupt nicht. Nein, ich glaube die Komponente der Selbstunterhaltung, an der andere teilnehmen konnten, das ist eine ganz wichtige Komponente gewesen von ihm. Ja.

8.2 Gespräch mit Ruth Dürrenmatt.
Transkription des Interviews mit Ruth Dürrenmatt. Stattgefunden am 5. März 2014 und am 27. Januar 2015.

Massimo Trento: Du Ruth, darf ich dich etwas fragen, … das wundert mich, das hat eben auch mit der Konvention zu tun, mit der Art und Weise, wie dein Vater vielleicht die Konventionen gesehen hat, die gesellschaftlichen. Als du als Teenagerin daheim gewesen bist, du hast sicher deinen Freundschaftskreis gehabt, Schulkameraden, und ihr seid vielleicht in den Ausgang und das und jenes. Wie ist dein Vater gewesen, ist er eher einer gewesen, der Immer gesagt hat: „Nein, also wenn die nicht geputzt und gestriegelt sind, dann passen die gar nicht in euren Freundschaftskreis“, oder hat er das eher locker genommen, hat er euch eure Freiheit gegeben?
Ruth Dürrenmatt: Erstens einmal, weißt du, wenn ich an meinen Vater denke, dann sehe ich den hinter dem Schreibtisch. Und wenn er hinter dem Schreibtisch gewesen ist, dann hat das geheißen, dass du dann schon mal gar nicht stören darfst. … . … Als ich jung gewesen bin, ich fang jetzt mal von der Kindheit an, dann sind die fast meistens weg (gewesen). Mein Vater hat sehr viel Regie geführt und die Mutter ist einfach mitgekommen. Und was so Freundinnen angeht, alles was mit Erziehung zu tun gehabt hat, weißt du, was man anzieht, was man tut, wo man hingeht, das hat die Mutter entscheiden sollen. Das ist ja auch sehr die altmodische Erziehung, weißt du.
Massimo Trento: Ja, ja, aber weißt du, in der altmodischen Erziehung hat es natürlich auch Eltern gehabt, die gesagt haben: „ Nein, mit denen gehst du nicht spazieren, mit denen musst du dich nicht befreunden“ und so.
Ruth Dürrenmatt: Nein, nein, nein, nein, diesbezüglich sind sie total, total liberal (gewesen).
Massimo Trento: Du Ruth, auch die Schule ist da gewesen, die erzogen hat. Wie hat das denn dort dein Papa gesehen, ist er immer gut ausgekommen mit der Lehrerschaft. Verstehst du, was ich meine?
Ruth Dürrenmatt: Meine Mutter ist dann die gewesen.
Massimo Trento: Eher die?
Ruth Dürrenmatt: Eher die, mein Vater hat sich da nicht so … das hat Meine Mutter. Wenn meine Mutter etwas gesagt hat, dann hat er es auch gesagt. Weil, wenn meine Mutter nein gesagt hat, hab ich beim Vater auch nicht gedurft. Aber was manchmal gut gewesen ist, bei gewissen Sachen, weil ich gewusst habe bei der Mutter sagt sie nein, dann hab ich Papa gefragt und der hat doch geschrieben und ist immer abwesend (gewesen) und hat Immer gesagt: „Jo, Jo“.
Massimo Trento: Wenn dein Papa daheim gewesen ist, was hat ihn empört wenn er Nachrichten gehört hat, über Politik, Internationales, Gerechtigkeit … etwas, was ihn gestört hat, magst du dich erinnern vielleicht?
Ruth Dürrenmatt: Also, ich glaube, meine Mutter hat sich mehr lautstark empört, aber mein Vater, er hat mehr so analysiert, weißt du. Er hat sich zum Beispiel mit Chruschtschow und mit Kennedy und der Europaeschen Union (befasst). Natürlich gegen die Atombombe ist er schon gewesen, soviel ich weiß. Aber er hat dann mehr so die Sache, die Situationen analysiert. Also, das er so emotionell wegen des Politischen, hab ich ihn eigentlich nie gesehen. Aber ich nehme an, er hat sich natürlich sehr, wie soll ich sagen, er hat sich halt ausgetobt im Schreiben, gell.
Massimo Trento: Professor Nobel, der hat mir gesagt gehabt, dein Papa habe nichts gehalten, weder von Politikern noch von der Politik. Kannst du das nachvollziehen?
Ruth Dürrenmatt: Ja, das stimmt und zwar kann ich dir ehrlich sagen, diesbezüglich hat mein Vater recht gehabt. In der Welt tut sich ja immer alles schnell ändern, und die Politiker suchen immer Notlösungen. Sie sind ständig mit momentanen Lösungen beschäftigt, oder, aber nicht Langzeitlösungen, verstehst du? Und es fehlt das Wissen und die nötige Voraussicht, weißt du. Du musst weit voraussehen können und das fehlt. Das Problem ist, bis ein Politiker Macht hat, muss er dermaßen mit Korruption und das ist dermaßen ein Kampf, oder, dass er irgendwie schon abgehärtet ist. Er hat nichts gehalten von dem, schon wegen dieses Machtkampfes, weil es um zuviel Macht gegangen ist und nicht um das Thema. Und dann ist da ein Problem in der Politik und in allem, zu viele Ideologien. Der Mensch stolpert über Ideologien. Mein Vater hat ein Problem gehabt mit Ideologien, weißt du. Es gibt sehr viele, zum Beispiel, gerade in Amerika weißt du, Leute, die von der Religion aus Politik machen. Da hat er schon recht gehabt.
Massimo Trento: Würdest du dein Papa eher, pauschal gesagt, als Progressist oder Konservativer einschätzen?
Ruth Dürrenmatt: Ich würde sagen, er ist in der Mitte gewesen. … . Aber ich hab ihn nicht als Linker empfunden, aber man hat ihm auch gesagt er sei ein Kapitalist und so. In den siebziger Jahren hat man ihn so verschrien.
Massimo Trento: Und was hat er manchmal gesagt?
Ruth Dürrenmatt: Ich weiß nicht was er gesagt hat. Er hat mit mir über das nicht diskutiert, aber auch wenn ich seine Bücher lese, würde ich jetzt nicht gerade sagen, dass er rechts ist. Er ist einfach sehr kritisch gewesen. Und er ist halt nicht einer gewesen, der einfach blindlings, zum Beispiel, bei der Hitlerjugend, … da haben sie das große „Oh! Er ist bei der Hitlerjugend gewesen“. Er hat einfach für sich sehen wollen, was ist der Hitler und um was geht es? Und dann ist er nach Deutschland gefahren und hat sich das angeschaut. Und nachher ist er zurückgekommen und hat gesagt „Das ist ein Seich.“
Massimo Trento: Das legt er auch Kommissär Berlach in den Mund, als er dem anderen in Deutschland eine Ohrfeige gegeben hat.
Ruth Dürrenmatt: Ja, das ist ein Emmentaler und Emmentaler sagen: „Das ist ein Seich“.
Massimo Trento: Du hör mal Ruth, zu den Büchern … du weißt ja, die bekannten Bücher, die er geschrieben hat. Justiz, Der Richter und sein Henker, Der Verdacht, Das Versprechen und Die Panne. Welches von diesen Büchern, die ich jetzt aufgezählt habe, gefällt dir am meisten und wo findest du eigentlich deinen Vater und seine Gesinnung am meisten reflektiert. In welchem dieser Bücher?
Ruth Dürrenmatt: Also, ich würde schon sagen „Die Panne“. Da ist doch der Typ, also ich glaube er ist ein Versicherungsmann , der hat eine Panne, … das sind ja alles alte Richter, die haben ihn ja zum Selbstmord getrieben. Es ist ein verheerendes Stück, einfach wahnsinnig. Das sind Verrückte, diese Leute, aber ich weiß auch nicht, was ihm da durch den Kopf gegangen ist, die tiefere Meinung. Gut, er ist ja nicht ein Heiliger gewesen, der Versicherungsmann, er hat ja auch Dreck am Stecken gehabt, sonst hätte er sich ja nicht in den Tod getrieben, nicht. Aber du siehst trotzdem, wie du Menschen bearbeiten kannst und beeinflussen, dass sie sogar denken, dass sie jetzt den Tod verdient haben. Und das zeigt eben auch, also für mich, wie eine Meinung oder ein Mensch, oder sagen wir mal, wenn wir jetzt eine Menschenmasse nehmen würden, wie die manipuliert werden können.
Massimo Trento: Und dein Papa, von den Büchern, die ich aufgezählt habe, welches meinst du hat er gedacht: „Ja, da habe ich ins Schwarze getroffen, da ist genau das, was ich hab sagen wollen“?
Ruth Dürrenmatt: Das hab ich noch nie gehört, dass mein Vater so etwas … das weiß ich nicht.
Massimo Trento: Hat er nie vielleicht mehr über einen Roman geredet in der Familie, als über andere?
Ruth Dürrenmatt: Er ist Immer gleich (gewesen). Aber wenn er etwas geschrieben hat, dann ist das manchmal gegangen beim Essen, beim Kaffee oder so, je nach dem, oder wenn er etwas gelesen hat. Er hat auch reinplatzen können und hat einfach angefangen zu reden und meine Mutter hat ihm zugehört.
Massimo Trento: Also du meinst, er hat im Prinzip über jedes Werk gleich gut geredet?
Ruth Dürrenmatt: Ja, er hat eigentlich gut geredet. … Nein, er hat nicht gut geredet, er hat nicht gesagt: „Das ist fantastisch,“, oder „jetzt habe ich etwas Fantastisches“. Er hat nicht gut geredet. Er hat einfach das, was ihm durch den Kopf gegangen ist (geschrieben). Dann hat er manchmal, „Ach, das muss ich umändern, und der Schluss, der geht nicht auf, dann muss ich das wieder machen“, so, weißt du.
Massimo Trento: Aber er hat nicht über ein Buch mehr geredet als über andere?
Ruth Dürrenmatt: Nein, er hat genau soviel darüber geredet, wenn er zum Beispiel … hat erzählt, weißt du, philosophische Sachen. Aber er hat meistens einfach philosophiert und so. Einmal bin ich im Spital gewesen und dann bin ich mit meinem Vater allein (gewesen),oder. Und du, der hat einfach wie an einem Strang erzählt, wie die Welt erschaffen, von Darwin, und der Unterschied zwischen Mystik und Wissenschaft … also total, weißt du.
Massimo Trento: Das hat mir Doktor Nobel auch gesagt. Er hat gesagt, er sei ein wunderbarer Orator gewesen, einer, der wirklich gern geredet hat.
Ruth Dürrenmatt: Der hat nicht nur gern geredet, der hat dann also wirklich am laufenden Band. Also, im Diskutieren ist er nicht so gut gewesen, weil er ein wenig diktatorisch gewesen ist. Er ist ein wenig wie ein Zug gewesen, den du nicht bremsen kannst. Egal ob ich oder meine Mutter oder wer Immer da gewesen ist, er hat einfach gerne erzählt.
Massimo Trento: Im Prinzip hat dein Vater eigentlich gedacht, dass die menschliche Gerechtigkeit sehr selten ins Schwarze getroffen hat. Die Gerechtigkeit hat eigentlich meistens mit Zufall zu tun gehabt.
Ruth Dürrenmatt: Ja, das ist so. Recht haben und Gesetz, das geht nicht immer überein.
Massimo Trento: Nein, eben nicht. Und das ist ja bei mir ein ganz großes Thema. Ich bin zum Beispiel einer. Ich könnte nie Anwalt werden, denn wenn ich Anwalt werden würde, Verteidiger, und ich würde einen Prozess verlieren, ich würde die ganze Juri umbringen, gerade so, allesamt. Ich könnte das nicht verkraften, verstehst du? Denn wenn ich wüsste, ich habe recht, ich bekomme es aber nicht, ich könnte das nicht verkraften, persönlich.
Ruth Dürrenmatt: ja, ich habe das Problem auch, aber ich muss eben sagen, es ist trotzdem gut das Gesetz. Und zwar ist es gut, weil man nicht einfach sagen kann, auch wenn man Beweise hat, du bist schuldig und hast jetzt diese und diese Strafe. Auch der größte Kriminelle hat das Recht auf Verteidigung.
Massimo Trento: Wenn ich zum Beispiel die Dramen lese, wie ‚Die Physiker’ oder zum Beispiel ‚Portrait eines Planeten’, das weniger erfolgreich gewesen ist, aber trotzdem. Oder wenn ich Kurzerzählungen lese wie ‚Der Tunnel’ oder ‚Der Nihilist’, dann kommt mir in den Sinn, dass dein Papa eigentlich sehr pessimistisch eingestellt gewesen ist gegenüber der menschlichen Zivilisation. Also im Sinn, wenn wir uns bislang nicht in die Luft gejagt haben, hat das eher mit Glück und mit Zufall zu tun gehabt. Hast du das Gefühl auch?
Ruth Dürrenmatt: Ja, er ist schon ein wenig ein Pessimist gewesen, aber ich glaube er hat auch viele Schwierigkeiten gehabt im Leben. Er ist halt jetzt so veranlagt gewesen.
Massimo Trento: Du, und seine Visionen, seine apokalyptischen Visionen?
Ruth Dürrenmatt: Er ist ein Pfarrersohn gewesen, dann ist denk ich klar und logisch, dass er sich damit beschäftigt. Schlussendlich ist ja sein Vater Pfarrer gewesen und hat viel die Bibel gelesen.
Massimo Trento: Ist dein Papa ein Gläubiger gewesen?
Ruth Dürrenmatt: Nein, nein, er ist kein Kirchgänger gewesen. Wenn er gläubig gewesen ist, hat er schon an etwas geglaubt, wie jeder Mensch denke ich, oder? Er hat sich selber als Atheist bezeichnet, aber das ist einfach eine Reaktion gewesen, weil er etwas gehabt hat gegen, wie soll man sagen, gegen eine Religion, die einem vorschreibt wie man denken muss.
Massimo Trento: Etwas ist interessant. Dein Papa ist ein begeisterter Astronom gewesen. Er hat ein Teleskop gehabt bei sich in Neuchatel, gell?
Ruth Dürrenmatt: Ja, das ist er immer gewesen und er hat natürlich ein großes Teleskop gehabt und hat da immer durchgeschaut, gell. Und zu seinen Zeiten hat es noch nicht so viele (davon) gegeben.
Massimo Trento: Dein Vater hat ja in ‚Portrait eines Planeten’ eben zum Beispiel vom Sonnensystem geredet, also von unserer Erde. Also dort geht es um die Tatsache, dass die Sonne früher oder später explodiert und dass unsere Erde versengt wird, oder. Also wissenschaftlich hat er sich mit diesem Thema auseinandergesetzt, gell?
Ruth Dürrenmatt: Das weiß doch jeder, aber die Sonne wird noch lange nicht explodieren.
Massimo Trento: Nein, nein, vier Milliarden Jahren, vier Milliarden Jahren geht es noch…
Ruth Dürrenmatt: Ja, wahrscheinlich noch länger. Aber das ist nicht die Sachlage. Wir haben noch nicht Probleme mit der Sonne. …die Erde wird immer wärmer und dann gibt es natürlich Stürme und die Menschen, an einigen Orten wird das Wasser sie ersaufen und an anderen Orten werden sie verdursten und weißt du, solche Sachen.
Massimo Trento: Im Großen und Ganzen hat ja dein Papa schon immer gesagt gehabt, dass das Überleben eigentlich mehr durch den Menschen gefährdet wird als durch die Natur im Allgemeinen. Das hat er schon immer gesagt.
Ruth Dürrenmatt: Ja, aber es ist nicht nur der Mensch, oder. Man muss das nicht einseitig sehen, weil es noch andere Sachen gibt. Zum Beispiel, unterhalb des Erdbodens verschieben sich die Platten. Und jetzt ist Afrika näher an uns herangerutscht. Und das hat nichts mehr mit dem Mensch zu tun. Ich hab auch einmal gelesen, dass, zum Beispiel, wenn die Menschen nicht wären, da würde auch einiges kaputt gehen.
Massimo Trento: Wie in der Schule, du bekommst einen weißen Bogen und einen Stift. Kannst du mir ein ganz persönliches Portrait geben von deinem Papa?
Ruth Dürrenmatt: Es gibt drei Dürrenmatt. Mein Vater sehe ich in drei Personen. Und die eine Person ist einer, der gerne gekocht hat, vor allem nach Mitternacht, hat er seine berühmten Bouillons, die nur er hat machen können, weißt du, mit Käse und Zwiebeln und Ei darin und viel Käse und, also toll. Er ist ein lustiger Vater gewesen … Am meisten habe ich Freude gehabt, wenn der Frisch gekommen ist und die eben miteinander Ping Pong gespielt haben oder Federball.
Massimo Trento: Der Max Frisch?
Ruth Dürrenmatt: Ja, der Max Frisch … und jeder wollte den anderen schlagen, nicht. Und wenn der andere gewonnen hat, dann war der andere eifersüchtig und deprimiert gewesen und wenn der andere, weißt du, beide sind gleich gewesen. Also Max Frisch und mein Vater. Es ist einfach schön gewesen, denen zuzuschauen, denn das sind wie große Kinder gewesen. Als ich ein Kind gewesen bin, ein sehr kleines Kind, hat er kleine Geschichten erzählt. Ja, er hat sehr viel lustiges gehabt. Ja, er ist einfach ein lustiger Vater gewesen damals, also der junge Dürrenmatt. Dann habe ich aber auch ein Bild von ihm, er ist ein kleiner Tyrann gewesen, besonders wenn er manchmal die Geduld verloren hat oder manchmal wenn er etwas gesagt hat, wo man nicht mit ihm einverstanden (war). Zuviel Widerspruch, dann hat er sehr untolerant sein können. Also, das ist nicht gerade so schön gewesen. Also, manchmal ist er wirklich ein wenig auch ein Egoist gewesen. Wie gesagt, oder, er ist auf einer Seite großzügig und sehr geberisch, aber er ist ja auch ein wenig ein Egoist (gewesen). Also, man darf ihn einfach nicht veridealisieren, oder. Aber der Egoismus oder so, hat … ihn gebracht, dass er soweit hat kommen können im Leben, weißt du. … … Beide zusammen, also meine Mutter und mein Vater, man hat wirklich voll Seich machen können, mit denen, weißt du. Als er mich in Deutschland besuchen gekommen ist, … wir haben so viele Streiche gemacht. Mit dem konntest du richtig lachen, mit dem Dürrenmatt. Also er hat eine tolle Persönlichkeit gehabt, aber er hatte auch seine Schattenseite. Ich hab dir eben nur zeigen wollen, wie zwei Seiten jeder Mensch hat, oder. Und die dritte ist, das ist ein Mensch, der auch ein Schwerarbeiter ist. Also in seiner Arbeit, in seinem Schreiben, hat er eine ungeheure Disziplin gehabt, oder. Für eine Seite hat er hundert Seiten brauchen Können, weißt du. Und immer wieder schreiben und immer wieder feilen, und er hat sich manchmal auch selber widersprochen. Also ich bin ja viel, viel netter zu mir, als er mit sich.
Massimo Trento: Also, er hat wahnsinnig viel entworfen, bevor er dann zum endgültigen Resultat gekommen ist.
Ruth Dürrenmatt: Es ist sehr lustig. Eines Tages hat er mir erzählt, also so in offenen Momenten, oder manchmal so am Telefon, hat er mir erzählt: „Ja, weißt du Rütli, gestern Abend, habe ich Wein getrunken, … ja, ich bin besoffen gewesen, aber ich habe geschrieben, die ganze Nacht. Und ich hatte das Gefühl, ich hätte so eine schöpferische, ich habe mich so toll gefühlt“.
Massimo Trento: Das ist typisch, das sagen manche Künstler.
Ruth Dürrenmatt: Dann sagt er: „Aber am nächsten Tag, hab ich das gelesen, ich sag dir, das ist ein Seich gewesen“. Das vergiss ich nie, da hab ich ihn, da hab ich ihn wirklich geliebt, weißt du. Er hat dann auch den Mut haben können und sagen: „Ich hab wieder einen Seich gemacht gestern“. Mein Vater ist nicht so ein emotioneller Typ gewesen in Wirklichkeit, verstehst du. Aber wenn er Alkohol, dann sind alle seine Emotionen, dann hat er darüber reden können.
Massimo Trento: In vino veritas.
Ruth Dürrenmatt: Ja, er ist ein Mensch gewesen, er hat viel Mühe gehabt, in der Beziehung mit anderen Menschen, weißt du. Er konnte über alles reden, er hat reden können über Gott und die Welt, aber über das, was persönlich ist, hat er eben nicht reden können. Auf einer Seite, ist er nie richtig Erwachsen geworden, verstehst du?
Massimo Trento: Ja, werden wir das alle, meinst du?
Ruth Dürrenmatt: Ja, aber bei ihm ist es ganz speziell, weil das ist auch gut gewesen. Du musst eins verstehen. Viele Künstler haben Sachen, die das eben für die Kunst brauchen, sie müssen so sein. Aber Im Umgang, im täglichen Leben, oder, kann das sehr schwierig sein, verstehst du? Alles, was er gewesen ist, der Tyrann, der in ihm gewohnt hat, der Gütige, der Humorist, der Zyniker, der Kritiker, das ist alles gut. Und er hat auch in einer gewissen Zeit die Frechheit gehabt, zu sagen, was er denkt. Er hat wahnsinnig viel Mut gehabt im Schreiben. Er hat einfach geschrieben und die Leute haben ihn attackiert. Er hat Immer gesagt: „Jesus Christus ist ein religiöser Atheist gewesen.“ Das ist doch irgendwie phantastisch, dass er so etwas sagt, Verstehst du?
Massimo Trento: Aber natürlich eine gigantische Provokation, für Gläubige.
Ruth Dürrenmatt: Aber das braucht verdammt viel Mut. Da muss er ein wenig ein Egoist sein, weißt du … einfach Sachen sagen, egal was andere empfinden. Weil wir, die gewöhnlichen Leute, wir wollen doch alle so beliebt sein. Aber ihm ist es irgendwie egal gewesen. Er ist dann sehr verletzt worden, weil er so angegriffen worden ist. Das hat ihn dann sehr verletzt, aber er hat nicht daraus gelernt. Er hat trotzdem das geschrieben, was er gedacht hat. Er ist ein mutiger Mann gewesen diesbezüglich. Aber wenn es zu seiner Frau gekommen ist, ist er ein Pantoffelheld gewesen. Er hat auch sehr viele Komplexe gehabt und er ist ein sehr depressiver Mensch gewesen. Aber der Unterschied zwischen ihm und vielen anderen, wenn ich eine Depression habe, du, dann bin ich gelähmt, oder, das lähmt mich, Und die meisten Leute sind gelähmt. Aber der, wenn der eine Depression gehabt hat , dann hat er um so härter gearbeitet, weißt du? Er hat sich richtig durchgebissen. Er hat eben auf einer Seite sehr viel Mut gehabt, aber manchmal hab ich schon gedacht, dass er einen Ecken ab hatte. Aber Künstler sind so, oder, und das muss man auch wissen. Weißt du, du kannst nicht erwarten, dass jemand wunderbare Werke schreibt und tolle Bücher schreibt und tolle Bilder malt, und nachher erwarten, dass er ist, wie Herr Meier von nebenan.

9 Literatur

9.1 Primärliteratur.
Dürrenmatt, Friedrich: Das Versprechen. Werkausgabe (37 Bände) Bd. 23, Zürich 1998, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Der Auftrag oder Vom Beobachten des Beobachters der Beobachter, Zürich 1986, Diogenes Verlag, (Pdf).
Dürrenmatt, Friedrich: Der Besuch der alten Dame. Neufassung (Theatermaster) 1980, Zürich 1985, Diogenes Verlag, (Pdf).
Dürrenmatt, Friedrich: Der Mitmacher. Anmerkungen des Autors. Werkausgabe (37 Bände) Bd. 14, Zürich 1998, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Der Richter und sein Henker. Werkausgabe Bd. 19, Zürich 1980, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Der Tunnel. Werkausgabe Bd. 20, Zürich 1980, Diogenes Verlag, (Pdf).
Dürrenmatt, Friedrich: Der Verdacht. Werkausgabe Bd. 19, Zürich 1980, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Der Winterkrieg in Tibet. Gesammelte Werke in sieben Bänden Bd. 6, Zürich 1991, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Die Falle (Erstmals erschienen 1950 mit dem Titel ‚Der Nihilist’. Holunderpresse, Horgen-Zürich). Werkausgabe Bd. 18, Zürich 1980, Diogenes Verlag, (Pdf).
Dürrenmatt, Friedrich: Die Panne. Werkausgabe (37 Bände) Bd. 16, Zürich 1998, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Die Panne. Werkausgabe Bd. 20, Zürich 1980, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Die Physiker. Werkausgabe Bd. 7, Zürich 1980, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Die Wiedertäufer. Werkausgabe (37 Bände) Bd. 10, Zürich 1998, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Herkules und der Stall des Augias. Werkausgabe (37 Bände) Bd. 8, Zürich 1998, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Labyrinth. Stoffe I-III, Zürich 1990, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Literatur und Kunst. Werkausgabe Bd. 26, Zürich 1980, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Minotaurus. Eine Ballade, Berlin 1987, Lizenzausgabe des Verlags Volk und Welt, 1985 Diogenes Verlag, (Pdf).
Dürrenmatt, Friedrich: Nächtliches Gespräch mit einem verachteten Menschen. Werkausgabe (37 Bände) Bd. 17, Zürich 1998, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Nur das Nichtige hat Bestand. Das Dürrenmatt Lesebuch, Zürich 1991, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Portrait eines Planeten. Werkausgabe Bd. 12, Zürich 1980, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Theaterprobleme, Werkausgabe, Bd. 24, Zürich 1980, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Untergang und neues Leben. Werkausgabe Bd. 1, Zürich 1985, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Vom Anfang her. Werkausgabe Bd. 26, Zürich 1980, Diogenes Verlag.
Dürrenmatt, Friedrich: Vom Sinn der Dichtung in unserer Zeit. Werkausgabe (37 Bände) Bd. 32, Zürich 1998, Diogenes Verlag.

9.2 Sekundärliteratur.
Bienek, Horst: Werkstattgespräche mit Schriftstellern, München 1962, Hanser Verlag, München 1965 u. 1976 DTV.
Brecht, Bertolt: Hauspostille, Frankfurt a. M. 1996, Suhrkamp Verlag.
Dostojewski, Fjodor M.: Die Brüder Karamasow, 1880.
Dürrenmatt, Friedrich: Rezension zu Robert Jungks ‚Heller als tausend Sonnen’, in: Die Weltwoche, 07.12.1956.
Grimm, Gunter E.: Die Welt als Labyrinth. Dürrenmatts Untergangsphantasie ‚Der Winterkrieg in Tibet’, in: Neue Zürcher Zeitung, 26.01.1994, Nr. 21, 59.
Grimm, Gunter E.: Friedrich Dürrenmatt, Marburg 2013, Tectum Verlag, (Pdf).
Kierkegaard, Sören: Tagebuch-Eintrag, Gilleleie, 01.08.1835, Tagebücher, 1A.
Rollmann-Romanowski, Hanna: Existenz und Transzendenz bei Kierkegaard und Kafka, Berlin 2014, Technische Universität, Verlag: epubli GmbH, (Pdf).
Rüedi, Peter: Dürrenmatt oder die Ahnung vom Ganzen, Zürich 2011, Diogenes Verlag.
Schulte, Vera: Das Gesicht einer gesichtslosen Welt, Frankfurt a. M. 1987, P. Lang.
Schweizerisches Literaturarchiv: Exemplarische Untersuchung zur Genese von Friedrich Dürrenmatts Spätwerk im Lichte der Manuskriptentwicklung. Dritter Teil: Die späten Stoffe II, Gemeinschaftsprojekt Universität Bern – SLA (Pdf).
Shakespeare, William: Macbeth, 5. Aufzug, 6. Auftritt. (1606). Übersetzung: Friedrich Schiller.
Spinoza, Baruch De: Politischer Traktat (1677), Leipzig 1988.
Tegelkamp, Martin W. J.: Recht und Gerechtigkeit in Dürrenmatts Dramen und Prosa, Baden-Baden 2013, Nomos Verlagsgesellschaft.
Weber, Ulrich: Von der Lust die Welt nochmals zu erdenken, Bern 2006, Haupt.

9.3 Internetquellen.
Alexander Honold: Raumstation Schweiz. Kosmische Katastrophen: Friedrich Dürrenmatt und seine Stoffe, in: FAZ, 17.05.2004. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/raumstation-schweiz-1163651.html, Zugriff am 07.02.2015.
Die Ausstellung „Entartete Kunst“, In: Haus der Deutschen Kunst. http://www.hausderdeutschenkunst.de/geschichte/entartete-kunst.html, Zugriff am 02.02.2015.
Entstehung Konolfingen, in: Gemeinde Konolfingen. http://www.konolfingen.ch/de/inhalte/gemeinde/portrait/Gemeindeportrait-Text.pdf, Zugriff am 02.02.2015.
Entstehungsgeschichte der Dürrenmatt-Mansarde, in: Schweizerisches Literaturarchiv. http://www.nb.admin.ch/sla/03446/03489/03493/index.html?lang=de&print_style=yes, Zugriff am 02.02.2015.
Galaxien-Kollision: Die Milchstraße heizt ihrem Ende entgegen, in: Die Zeit, 01.06.2012. http://www.zeit.de/wissen/2012-06/milchstrasse-kollision-hubble, Zugriff am 07.02.2015.
Georg-Büchner-Preis, in: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt 1986. http://www.deutscheakademie.de/de/auszeichnungen/georg-buechner-preis/friedrich-duerrenmatt/laudatio, Zugriff am 06.02.2015.
Interview mit Friedrich Dürrenmatt, in: Playboy, 20.12.1980. http://www.a-e-m-gmbh.com/andremuller/friedrich%20duerrenmatt%20%28Interview%29.html, Zugriff am 03.02.2015.
Jochen Hieber: Der plaudernde Koloß. Friedrich Dürrenmatts gesammelte Gespräche und Interviews, in: FAZ, 04.01.1997. http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/rezension-belletristik-der-plaudernde-koloss-11305121.html, Zugriff am 06.02.2015.
Julian Schütt: Fluch der alten Dame: Viel Rauch um seine Asche, in: Die Weltwoche, 42/2004. http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2004-42/artikel-2004-42-viel-rauch-um-se.html, Zugriff am 06.02.2015.
Nihilismus. Rechtschreibung, Bedeutung, Definition, Herkunft, in: Duden, Berlin 2014, Bibliographisches Institut. http://www.duden.de/node/663938/revisions/1197657/view, Zugriff am 07.02.2015.
Peter Rüedi spricht über Dürrenmatt, in: Interview Lounge, 01.08.2012. http://interview-lounge.tv/peter-ruedi-im-gesprach/, Zugriff am 03.02.2015.
Peter von Matt: Dissonante Choräle. Ausgewählte Gedichte Friedrich Dürrenmatts, in: Die Zeit, 28.01.1994. http://www.zeit.de/1994/05/dissonante-choraele, Zugriff am 07.02.2015.
Remarks and an interview, in Dürrenmatt at Temple University, 1969. http://www.press.uchicago.edu/books/durrenmatt/interview.html, Zugriff am 06.02.2015.
Unserer beider Rutschbahn. Auszüge aus dem Briefwechsel von Dürrenmatt und Frisch, in: Der Spiegel:, 07.09.1998. http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-7972172.html, Zugriff am 03.02.2015.
Zivilisation, in: Meyers Konversationslexikon, vierte Auflage, Bd. 16, Leipzig und Wien 1885-1892, Verlag des Bibliographischen Instituts, S. 943. http://www.retrobibliothek.de/retrobib/seite.html?id=117075, Zugriff am 03.02.2015.

Komplette Version mit verlinkten Fußnoten:
http://WWW.MASSIMOTRENTO.IT/MASSIMO_TRENTO_NUR_DAS_NICHTIGE_HAT_BESTAND.htm

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